Wale

Ihr Lieben, ich bin Euch ja sowas von einen Post schuldig.
Wie lieb, dass wir schon Anfragen bekommen haben, ob alles in Ordnung ist, weil ich so lange nicht geschrieben habe. Danke.
Und ja, es ist alles in Ordnung.

Wir sind im neuen Haus angekommen und erfreuen uns jeden Tag am Blick auf den Tafelberg und über die Stadt bis zum Hafen, den wir vom Schlafzimmer und unserem Holzdeck haben. Es war eine gute Entscheidung, das mit dem Umzug. Hier lief zwar auch nicht alles nur reibungslos, aber ein Neustart tut manchmal Wunder und plötzlich kann man alles, was so schief läuft, wieder viel besser ertragen. 

Unser vom Garub Blaster zerstörtes Auto wurde inzwischen begutachtet und als Totalschaden anerkannt, so dass wir aus der Sache wirklich ganz glimpflich herausgekommen sind. 
Garub Blaster, was um alles auf der Welt ist der Garub Blaster? Unbedingt HIER nachlesen. Schon alleine, weil man ja nie weiß, wann man mal in einen Sandsturm kommt. Und dann ist es besser zu wissen, was man auf jeden Fall tunlichst vermeiden sollte. 
Wir kurven jetzt mit einem klitzekleinen Mietwagen durch die Gegend, bei dem immer irgendwo irgendwelche Knie drücken. Entweder die des Beifahrers am Handschuhfach oder die des Fahrgast hinter dem Beifahrer in des Beifahrers Rücken. Es wird lustig, wenn wir mit dem klitzekleinen Mietwagen zum ersten Mal die Surfbretter zum Strand transportieren wollen. Dazu haben wir im Surfshop einen weichen Dachträger erstanden. Ich bin gespannt.
Am Wochenende sind wir im klitzekleinen Mietwagen sogar bis nach Hermanus, etwa 1,5-2 Stunden an der Küste nach Osten gekommen. Und wieder zurück. Etwas, das mit unserem Jeep und seinem angebrochenen Differential keine Selbstverständlichkeit mehr gewesen wäre. Und bei jeder Strecke zu überlegen, ob man wohl gegen die Sonne fahren wird, und seinen Tagesplan immer nach dem Sonnenstand ausrichten zu müssen, war auf Dauer etwas anstrengend. 

Kapstadt begrüßte uns nach der Rückkehr aus Namibia erstmal mit Regen. Viel Regen. Mit wir-haben-es-langsam-echt-satt viel Regen. Jede Sonnenminute haben wir genutzt, sind schnell nach draußen gerannt, haben die Gesichter in die Sonne gestreckt, als wären wir nicht in Südafrika, sondern im Urlaub in Cornwall. Manchmal haben wir uns gefragt, ob wir aus Namibia direkt im nordindischen Monsun gelandet sind und ob der Berg, den man an vielen Tagen nur erahnen konnte, gar nicht der Tafelberg ist, sondern in Wahrheit die Ausläufer des Himalaya.
Aber irgendwann nach 2 Wochen hob sich der graue Schleier und gab den Tafelberg, den Devil's Peak und den Lion's Head wieder frei. Die grauen Strände waren plötzlich wieder weiß und blau und das Kleid der Berge war noch ein bisschen bunter geworden. 
Momentan sind die Hänge des Lion's Head und der Twelve Apostle üppigst grün und gelb, gelb, gelb. Alles, was blühen kann, hat begonnen, sich von seiner prächtigsten Seite zu zeigen. Und wenn man genau hinsieht, dann findet man viele alte Bekannte, die man sonst aus dem deutschen Gartencenter als Sommerflor kennt: gelbe Margeriten, Kapkörbchen, blaue Gänseblümchen, Geranien oder Mittagsblumen. Alle sind sie hier zu Hause und wuchern und wuchern dieses Jahr nach den ergiebigen Regenfällen. Es ist eine Pracht und eine Freude.

Sandi und ich haben viele Spaziergänge an allen Seiten des Tafelbergs unternommen, die Blicke genossen und jedes Mal gestaunt über die Wasserfälle, die Farben und die üppige Ausgelassenheit der Natur. Der Winter hier ist sowas wie ein kleines Wunder.

Aber auch weiter haben uns unsere Exkursionen gebracht, in die False Bay nach Muizenberg und weiter nach Kalk Bay, nach Constantia und ins ganz besonders schöne Silvermine Nature Reserve. 
Ich könnte nun ewig schwärmen von den Wildblumen, den blühenden Sträuchern und der irren Vielfalt, die man dort entdecken kann. Aber ich weiß, dass nicht jeder meiner Leser sich ganz so sehr verlieren kann in Bewunderung für Wildblumen wie ich. 
Das Silvermine Nature Reserve liegt am Beginn der Kaphalbinsel in den Bergen. Man hat von dort irre Blicke über die False Bay auf der einen Seite und den offenen Atlantik auf der anderen Seite der sich vor einem erstreckenden Kaphalbinsel. Man blickt über die Weinberge von Constantia, die Feuchtgebiete hinter Muizenberg, die Strände entlang bis zum anderen Ende der gigantischen False Bay. Die Sonne scheint, der kühle Wind im Gesicht, angenehme 19 Grad. Was will man mehr? Und unter einem liegt das blühende Hochtal, in das sich ein kleiner, von Tanninen braun gefärbter Stausee schmiegt und für einen kurzen Moment kommt man sich vor wie an einem schottischen Loch. Die karge Vegetation, die lila Blütenteppiche und das dunkle Wasser des Sees könnten beinahe genauso in Schottland sein. Bis man den Blick wendet und er eingefangen wird von einer prächtigen Protea in voller Blüte, die uns sagt: es ist nicht Schottland, wir sind noch immer in Südafrika. Ein so bezaubernd schöner Ort. 

In jeder anderen Stadt wäre es eine Haupttouristenattraktion. In Kapstadt ist es eine von so vielen. Eben noch ein schöner Blick über noch einen schönen Strand von noch einem schönen Berg. Was für ein Glück für uns, dass es nicht für eine Hauptattraktion gelangt hat angesichts der Fülle von noch spektakuläreren Attraktionen: wir durften fast alleine dort sein.

Am vergangenen Wochenende, so dachten wir, müssten wir nach vier Wochen doch mal wieder ein bisschen wegfahren. Und so waren wir in Hermanus. Die Stadt, die sich ganz selbstbewusst die Walhauptstadt der Welt nennt. 
Und wie Recht sie damit hat!
Hermanus ist nicht nur - ich weiß, ich gehe sehr inflationär mit Superlativen und Ausdrücken von Begeisterung um... aber wenn's nunmal sein muss? - zurecht die Walhauptstadt der Welt, Hermanus ist auch irre schön gelegen. 


Die kleine Stadt schmiegt sich zwischen eine schrullige Bergkette auf der einen und eine große Bucht, die Walker Bay, auf der anderen Seite. Großteile der Bucht und der Berge sind natürlich Naturschutzgebiete und wären jeweils wieder eine Woche Urlaub wert. 
Hinter Hermanus also die momentan ziemlich schräg grünen Granitberge, vor Hermanus die zerklüftete Küste mit ihren schroffen Felsen, kleinen Stränden, mündenden Bächen und dem wilden, tosenden, am Wochenende ziemlich entschlossen wirkenden Meer.
Man kann über viele Kilometer direkt an der Küste wandern. Nur noch eine Bucht weiter.... nur noch einen Felsenvorsprung erkunden.... nur noch einen Blick auf die Wellen werfen. 
Und zwischendrin mal eben einkehren in einem Café über einer klitzekleinen Bucht mit einem Rockpool, in dem unerschrockene Kinder planschen, während man mit Mütze auf dem Kopf, Decke über den Beinen und den sich an der Tasse wärmenden Händen seinen Rooibostee schlürft. 

Ein Ausflug nach Hermanus wäre schon nur für all das ein lohnender gewesen.

Aber nun kommt's. Die Stadt nennt sich ja nicht ohne Grund Walhauptstadt der Welt.
Die Walker Bay ist ein beliebter Ort für Southern Right Whales und Humpback Whales, um dort den Winter zu verbringen. Sie paaren sich in der Bucht und bringen ihre Jungen zur Welt... nicht im selben Jahr natürlich!!! Und wenn die Jungtiere groß und dick genug gefüttert wurden, dann werden sie mitgenommen auf ihre erste Reise in die Antarktis, wo es reichlich und lecker Krill gibt, dass die Wale sich genug Reserven anfuttern, um die nächsten kargen Zeiten in der Walker Bay zu überstehen.
Wir haben natürlich eine Bootstour mitgemacht und da in der Tat unfassbar viele Wale gesehen. Es müssen um das Dutzend gewesen sein. Sie waren einfach überall. Leider waren auch überall Wellen. Ziemlich hohe Wellen und man war mehr damit beschäftigt, Stoßgebete gen Himmel zu schicken, dass doch bittebittebitte die nächste anrollende Wellenwand sich unser kleines Boot nicht einverleiben möge. So Boote sind aber wirklich erstaunliche Dinger und wir haben alle Wellen überlebt. Wenn ich auch immer noch nicht weiß, wie das eigentlich ging.
Man hat die Wale also nur gesehen, wenn sie gerade nicht hinter einer Wellenwand verborgen waren. Sich ständig festhalten zu müssen mit allen Händen, darauf achten zu müssen, dass die nächste Welle nicht in die Schuhe reinspült und dass man sich nicht den Delli irgendwo anhaut, hat vom Walerlebnis etwas abgelenkt und wir kamen vom Boot und meinten 'Hmmm. Irgendwie schon coolere Walfahrten gemacht.' ABER, wir hatten die Rechnung ohne die Walhauptstadt der Welt gemacht. Bei der Einfahrt in den Hafen sprang hinter uns ein Koloss ein paarmal aus dem Wasser und ließ sich lautstark in die Wellen fallen. Als wir auf dem Rückweg durchgefroren im Auto saßen, Heizung auf Vollgas, und eigentlich nur noch eines wollten: mit einer heißen Suppe und einer Wärmflasche unter die Bettdecke schlüpfen, da schob sich ein Walkopf in der Bucht direkt vor uns aus dem Wasser, während wir ein Stückchen weiter hinten den Blas von zwei weiteren Walen beobachten konnten. Beim Spaziergang am nächsten Tag sahen wir überall Walrücken in der Nähe oder der Ferne. Köpfe aus dem Wasser streckende Wale, Blas von Walen. Es waren einfach überall Wale. 50 bis 60 sollen Momentan in der Bucht sein. Und wir müssen sie beinahe alle gesehen haben. Adulte Tiere, Mütter mit ihren Jungtieren, es war alles dabei. 

Und was sind wir für Glückspilze, dass wir das sehen durften? Dieses Land, es vergeht nicht ein Tag, an dem es einen nicht umhaut angesichts der verrückten Ideen, die die Natur hier hatte. Ich meine, wo bitte kann man an der Küste spazierengehen - und dieser Spaziergang alleine wäre wirklich schon genug, dass man abends sehr zufrieden ins Bett gehen würde - und Wale sehen, wohin man auch blickt? In Sydney haben wir im Winter von den Klippen hin und wieder auch einen gesehen. Aber man konnte sich doch nicht in ein Café setzen und so viele Wale beobachten, dass es so inflationär wurde, dass man bald doch den Blick auf seinem Milchschaum haften ließ, wenn ein Familienmitglied 'Wal' rief.
Ein Foto, das wäre jetzt noch ne feine Sache stimmt's? Ich habe kein einziges brauchbares. Ist mehr ein Ereignis fürs Gedächtnis gewesen als für das Fotoalbum. Vielleicht ist der Seegang beim nächsten Mal etwas gnädiger.

Je länger wir hier sind, desto schneller vergeht die Zeit. Nur noch vier Monate. Ich denke immer, die To Do Liste müsste irgendwann kürzer werden. Wir sie aber nicht. Für jeden Punkt, den wir abhaken kommen mindestens zwei neue dazu. Und das Bedürfnis, den eben abgehakten Punkt noch ganz oft wiederholen zu können. 

Es ist ein wunderschönes Land.




Kommentare

  1. Wie schön 🐳🐋, das hoffentlich geht's euch gut hake ich als es geht euch sehr gut ab. 👍

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    1. Wir machen gerade einer nach dem anderen einen ekligen kleinen Infekt durch, aber sonst geht es uns gut. Ich hoffe, Ihr habt ein Urlaubsziel gefunden?

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    2. Kann man bei dir auch Wildblumenfotos bestellen, bitte?!

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    3. Kann man bei dir auch Wildblumenfotos bestellen, bitte?!

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    4. Wie möchtest Du sie denn gerne haben, Billy? 🙃

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    5. Ach, gerne per WhatsApp oder als Originalvorlage wäre noch besser, so zum Anfassen und Staunen!!!

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    6. Für Originalvorlage musst Du vorbeikommen. 😉 Fotos schicke ich Dir aber gerne so viele Du möchtest, wenn wir ab Sonntag wieder in einem vernünftigen WLAN sind. 😘

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