Garub Blaster oder im Sandsturm

Wisst Ihr, was ein Sandsturm mit einem Auto macht?
Nein?
Dann will ich es Euch erzählen.

An unserem Abfahrstag von Lüderitz war der Himmel so gelb wie am Tag zuvor, die Sonne verborgen hinter etwas, von dem wir nicht ahnten, was es ist.

Leider waren wir an jenem Morgen so organisiert, dass wir weder weitere Teile in der Wäscherei als vermisst reklamieren, noch im Supermarkt Essen für die nächste Etappe besorgen mussten. Wir hatten bereits den Reifendruck von Schotterstraße auf Asphalt angepasst und auf der Rückbank gab es keinen Streit um einen letzten, lebenserhaltenden Tropfen in einer Wasserflasche, der uns zu einem Wasserkaufstopp angeregt hätte.
Und so fuhren wir los. 
Leider. 
Denn irgendjemand hätte uns sicher gewarnt.

Wir fuhren los nach Osten. Anfangs gab es kleine Sandverwehungen auf der Straße, so wie wir es auf dem Hinweg bei sehr viel heitererem Himmel auch erlebt hatten. Etwas später kamen wir an einem Sandräumer vorbei, der gerade eine neue kleine Babydüne von der Straße schaffte. Auch er warnte uns nicht.
Die Straße war recht gut befahren. Es kamen uns jede Menge PKWs und LKWs entgegen. Sie machten alle ihre Warnblinker an. Sie waren diejenigen, die uns warnten. Nur wir verstanden es nicht.

Also fuhren wir fröhlich weiter, fasziniert vom gelben Himmel und den Sandverwehungen, die hektisch über die Straße eilten. Nachdem der Himmel auch den ganzen Tag zuvor so unheilvoll ausgesehen hatte und dennoch kein Unheil über die Stadt hereingebrochen war, dachten wir uns keine Sekunde etwas Böses.
Zumal uns auch all die LKWs entgegenkamen, alle auf dem Weg von den Zinkminen in Richtung Hafen von Lüderitz. Die wussten doch, was sie taten, die fuhren die Strecke doch jeden Tag...

Aber dann. Es war auf etwa halber Strecke unserer eigentlich als ganz entspannt angedachten Etappe von nur 120km nach Aus. In der Nähe des Garub Waterholes, an dem die wilden Pferde von Aus oft anzutreffen sind. Plötzlich verwandelten sich die hektisch aber harmlos über die Straße eilenden Verwehungen in ein gelbes Inferno aus Sand und Wind. Es war Sand überall. Schneller Sand. Aggressiver Sand. Attackierfreudiger Sand. Er hüllte das Auto ein, er verhüllte die Straße und er verhüllte den Himmel, dass es dunkel wurde wie in der späten Abenddämmerung. Es war beängstigend und faszinierend und einfach irre viel Sand.

Die Straße sah man nur noch wenige Meter und entgegenkommende Autos erst im letzten Moment. Immer schön am linken Straßenrand orientierend tasteten wir uns voran und ahnten noch nicht, wie unser Auto nach dieser ganz besonderen Peelingbehandlung aussehen würde.
Irgendwann tauchten aus dem Nichts ein paar der wilden Pferde auf. Sie standen da und fraßen Blätter von einem niedrigen Strauch. Als wäre nichts. Eines schüttelte sich ein wenig. Schüttelschüttel, war da was? Der Sandsturm schien sie nicht sonderlich zu beeindrucken. Es wirkte fast, als hätten sie Gefallen gefunden an der ganz besonderen Peelingbehandlung. Vielleicht haben sie es auch aufgegeben, sich über Sandstürme aufzuregen. Bringt ja eh nichts, werden sie wohl denken. Also besser weiterfressen, den Sand aus der Mähne schütteln und weiterziehen. Es wird schon wieder aufhören. Hat es ja noch jedes Mal.
Es hörte auf. Ein paar Kilometer weiter. Plötzlich tat sich die gelbe Wolke auf und gab die sandige Ebene, die Berge dahinter, die Sonne und den blauen Himmel frei, als wäre nichts gewesen. Ein paar letzte Verwehungen, die über die Straße huschten, und er Spuk war vorüber.

Als wir in Aus anhielten, um das Auto anzusehen, ahnten wir nichts Gutes. Das Bild, das sich uns nach dem Austeigen eröffnete, war jedoch so viel verheerender, als wir es uns jemals hätten ausmalen können.
Alle schwarzen Kunststoffteile wie die Stoßstange, die Seitenspiegel, Zierleisten oder die Seitenteile unseres Dachträgers waren grau, die Felgen mattgeschliffen, der Lack an exponierten Stellen weggeschmirgelt, die Scheinwerfer und Blinker vorne völlig blindes Milchglas, die Windschutzscheibe hat nun Millionen von klitzekleinen Einschlagslöchern. Das ganze Auto sandgestrahlt.
Wir können momentan nur bei Tageslicht und idealerweise nur mit Sonne im Rücken fahren. Sobald eine tiefstehende Sonne von vorne auf die Windschutzscheibe fällt, sieht man in etwa so viel, wie wenn man dachte, das mit dem Eiskratzen könnte man durch ein wenig Spritzwasser und den Scheibenwischer ersetzen, das Spritzwasser jedoch genau in dem Moment an der Scheibe festfriert, in dem man um die Ecke in die aufgehende Sonne abbiegt. 
Zum Glück geht unsere lange Fahrt nach Kapstadt ziemlich schnurgerade nach Süden, so dass die Sonne immer schon brav in unserem Rücken sein wird. 

Als wir in Aus auf dem Parkplatz der unterkunft ungläubig das Werk des Sandsturms begutachteten, kam der Besitzer der Lodge und meinte, jaja, der Garub Blaster. In der Gegend des Garub Waterholes muss der Sandsturm wohl berüchtigt sein. Der Besitzer meinte allerdings auch, dass wir nicht die einzigen wären, was ein Blick über den Parkplatz bestätigte UND, dass die Straße eigentlich hätte gesperrt sein müssen. Bei all den Autos und Lastwagen, die uns entgegenkamen und uns teilweise überholt haben, ist es total verrückt, was für Werte da auf den paar Kilometern zerstört wurden. Wir gehen davon aus, dass unser Auto ein Totalschaden ist und sind gespannt, zu welchem Schluss die Versicherung wohl kommen wird. Aber wenn man an die ganzen LKWs denkt, das ist irre, welcher Schaden da entstanden ist.
Als wir nach einer kurzen Verschnaufpause weiterfuhren, weil an ein Zelten in Aus aufgrund des Windes nicht zu denken war, da standen die LKWs plötzlich dicht aneinandergekuschelt auf den Parkplätzen entlang der Straße. Ob es sich rumgesprochen hatte, dass der Garub Blaster sein Unwesen treibt, oder ob die Straße gesperrt wurde, wir wissen es nicht.
Was wir nun wissen? 
Dass man einen Sandsturm mit dem Auto besser vermeidet. 
War ne recht steile Lernkurve. 

Und solltet Ihr mal in Verlegenheit kommen, dem Garub Blaster zu begegnen, dann dreht schnell um, so schnell Ihr könnt.

Kommentare

  1. Nächstes Mal gebe ich dir unsere Gartenmöbel mit, die bräuchten mal einen frischen Schliff

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Die schnallen wir dann gerne aufs Dach. Wir fahren dann auch gerne einmal hin und her, damit sie auch von allen Seiten schön bearbeitet werden.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Wenn du auf unserem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung (https://kindundkegelsackundpack.blogspot.com/p/datenschutz.html) und in der Datenschutzerklärung von Google unter https://policies.google.com/privacy?hl=de