Sieben Plagen

Eigentlich hatte ich vor über was ganz anderes zu schreiben und hatte bereits Posts zu zwei unterschiedlichen Themen begonnen. Aber die 'City of Love' und die 'Noon Gun' müssen warten auf bessere Zeiten. Irgendwie kam ich mit den Themen überhaupt nicht voran und das hat seinen Grund.
Und da die Realität hier leider auch nicht nur himmel- oder meeresblau ist und Schreiben ja so unglaublich therapeutisch ist, bekommt Ihr heute unsere sieben Plagen vorgesetzt. Das wirklich Witzige an diesem Titel ist, dass er mir einfiel und als ich nachzählte, stellte ich fest, dass es tatsächlich genau sieben Plagen sind. Hauptplagen zumindest.
Der Wurm ist drin. Wir wissen nicht wieso. Aber er ist drin. Es scheint, als würden wir eine Straße irgendwo im steinig-steilen Gebirge passieren wollen und als würde uns jeden Tag irgendetwas wie mindestens ein Felsen und manchmal ein ausgewachsener Bergsturz in den Weg gerollt, gegrollt, gewasauchimmert.

Es fing an mit dieser vollkommen willkürlichen Bekannmachung um das Visum. Wer sich nicht erinnert, kann HIER sein Gedächtnis auffrischen. 
Aber es sollte nicht bei einem blitzschnellen, kleinen Flug nach München bleiben. 
Warum auch immer man hier Anträge auf Visaverlängerung bearbeitet von Leuten, die man zuvor des Landes verwiesen hat, ist uns nicht ganz klar, sie haben es jedoch gemacht. Und unsere Visa verlängert. Auf den letzten Tag des Visums, das wir ohnehin erhalten haben, nachdem wir aus Deutschland zurückgekehrt waren. Das ist so absurd, dass man herzlich darüber lachen könnte, wenn es nicht auch gleichzeitig ziemlich nervig wäre, da wir auf dieses Visum, das nun eine Verlängerung ist, keine weitere Verlängerung beantragen können wie wir wollten. Und es läuft für Sandi 2 Tage nachdem wir aus Namibia wieder einreisen ab, bei mit 8 Tage danach. Ihr versteht nur Bahnhof? Wir auch. 
Namibia? Jepp, am Samstag geht's los. Vier Wochen on the road. Da, wo ich hingehöre. Und dann auch noch on the road in Namibia, was ich als eines der schönsten Länder in Erinnerung habe, die ich bisher bereisen durfte. Insofern sind wir schon auch ein bisschen ziemliche Glückspilze in all dem Chaos hier!

Also nach dem Visairrsinn kam Corona. Und das auch noch im Urlaub. Und das hat ewig gebraucht, sich wieder zu verziehen. Und den ein oder anderen Nervenzusammenbruch bei derjenigen ausgelöst, die von allen üblen Dingen auf der Welt eine am allerwenigsten hätte gebrauchen können: Long Covid. Jemand der fünf Jahre CFS hinter sich hat, als was sich Long Covid ja nun selbst für die Medizin immer mehr herausstellt, der braucht ALLES, wirklich ALLES, nur kein Long Covid, kein Post Covid, kein irgendwas Covid. Nicht dass ich es irgendjemandem wünschen würde, es gibt jedoch niemanden, dem ich so sehr nicht wünsche wie mir. Es hat sich dann aber auch vom Acker gemacht, irgendwann nach 5 Wochen oder so.

Zur Abwechslung war anschließend (oder währenddessen? Oder beides?) mal wieder unser Auto kaputt. Ich meine, immerhin wussten wir mittlerweile was es war, denn der Autohändler hatte anscheinend ganz großen Spaß dran, ein und die selbe Reparatur immer wieder in Auftrag zu geben und sie jedes Mal  - excuse my language - scheiße ausführen zu lassen. 
Sandi war dem Nervenzusammenbruch dank der Lichtmaschine ähnlich nahe wie ich angesichts dieses Virus. 
Aber jetzt endlich, nachdem Sandi eine ordentliche Werkstatt eingeschaltet hat, deren Inhaber zufällig den Inhaber des Autohauses kennt, siehe da, geht es doch und wir haben das Auto nicht nur blitzsauber gereinigt wiederbekommen, sondern auch eine nigelnagelneue Lichtmaschine und das Auto keine Blackouts mehr. Irgendwie ganz beruhigend, denn in dieser Stadt will man ja nicht unbedingt zu jeder Uhrzeit und an jedem Ort mit einem Auto stranden, das sein Leben einmal mehr ausgehaucht hat.

Und weil wir der Viren noch nicht genug gehabt hatten, haben die Jungs die DSK-Seuche aufgeschnappt. Ein Virus, der über ein paar Wochen die gesamte Deutsche Schule Kapstadt lahmgelegt hat. Fußballspiele mussten abgesagt werden, Matheschulaufgaben haben mit nur halber Klasse stattgefunden und an einem Tag waren in Philipps Klasse ganze drei Schüler*innen anwesend. Und so war erst Philipp eine Woche wie ausgeknockt im Bett, er hat ganze drei Tage nichts gegessen!!! Wer einen Teenagerjungen daheim hat, weiß, was das heißt. Er hat nichtmal von meinem Prime Video Account Gebrauch gemacht, das heißt doppelt, dass es Philipp echt übel ging. Und kaum war er genesen, da hat es Raphael erwischt, der hier eine Woche so gehustet hat, dass bald das Haus eingestürzt ist.

Eingestürzt ist es nicht, das Haus, es hat sich aber andere lustige Dinge für uns überlegt. Mein nächstes Nervenzusammenbruchthema. Wir haben ja einen wirklich wahnsinnig lieben und netten Vermieter. Victor. Und wir hatten in den letzten Wochen unglaublich viel Regen. Den meisten Niederschlag im vergangenen Monat seit Beginn der Wetteraufzeichungen. Also es war zugegebenermaßen echt viel Regen. Wenn es hier regnet, dann regnet es. Ohne Kompromisse. Also Victor und der Regen. Mein nächstes Nervenzusammenbruchthema ist genau das. Victor und der Regen. Denn in Victors Haus regnet es rein. Mal mehr, mal weniger. Mal genügt ein Küchenhandtuch, mal steht das Wasser in Raphaels Zimmer zentimeterhoch. Mal kommt es im Badezimmer rein, mal in der Waschküche. Mal ist unerklärlicherweise der Wohnzimmerteppich nass, mal tropft es zur Küche rein. Und manchmal kommt so viel Regen, dass der Pool mal wieder droht überzulaufen und ich stehe morgens um 8 im Schlafanzug im strömenden Regen und versuchen den Pool abzulassen, was mal wieder nicht geht, weil das Abflussrohr verstopft ist, in dem Zeug hängt, das aus unserem Garten geschwemmt wurde, der offenbar keinen Milliliter Wasser mehr aufnehmen kann, so gesättigt ist alles und so alles, was irgendwie lose herumliegt in das Abflussrohr spuckt. 
Dann renne ich zwischen Raphaels Zimmer und dem Pool hin und her, schmeiße hier ein paar gerade mal wieder frisch gewaschene Handtücher in die Pfützen, versuche dann dort einen kleinen Zentimeter vom Pool abzulassen, auf das uns bitte erspart bleibt, dass der Pool auch noch den vorderen Teil des Hauses überschwemmt. Zwischendurch habe ich immer laut gerufen, 'Ich hab's das ist Versteckte Kamera, Ihr könnt rauskommen' aber es kam niemand raus und niemand stellte die gigantische Regenmaschine über unserem Haus ab. Und immer berichte ich dann Victor davon, der sich auch immer rührend um alles kümmert... wenn er sein Haus trocken gelegt hat. Das bedeutet, dass ich entweder mit Victor telefoniere oder seine Sprachnachrichten abhöre (und Victor spricht die längsten Sprachnachrichten der Welt auf mein Telefon) oder er hier ist und was repariert. Zum Glück für Victor ist er wirklich ganz unglaublich nett. Wenn er das nicht wäre, hätte ich ihm schon längst den Kopf abgerissen. Oder ihn ertränkt. Das wäre irgendwie naheliegender gewesen.

Als Folge von dem ganzen Wasser hat sich natürlich Schimmel gebildet und genau das veranlasst uns gerade dazu, nach einem neuen Haus zu suchen. Wenn wir dieses Haus hier auch wirklich gerne mögen. Heute hatte ich einen Besichtigungstermin für ein wunderschönes Haus in Higgovale. Ich mag den Namen Higgovale. Die Jungs können von dort auch zur Schule laufen, ich kann in eines meiner Lieblingscafes spazieren und dort weiterhin pochierte Eier essen (was soll man bei dem Wetter hier auch anderes machen als pochierte Eier zu essen) und glücklicherweise hat es geregnet, als ich dort war und es standen keine Sektkühler, Messbecher oder Waschschüsseln am Boden, um Wasser aufzufangen. Das war mir sehr sympathisch. Und dafür, dass ich kein Wasser mehr aufwischen  oder in Sektkühlern und Messbechern auffangen muss, nehme ich sogar Loadshedding in Kauf.  

Und was ich Euch jetzt noch auftische, das werdet Ihr mir schon gar nicht mehr glauben. Plage Nummer 7 sind klein und haben eine sehr große Sprungkraft. Leider sind es keine Känguruhbabies. Auch keine Springbokherde, wenn das auch sehr viel neidlicher wäre. Nein, kleiner, viel kleiner. 
Wir haben Flöhe. Von einem Tag auf den anderen. 
Ihr lacht? Ich mittlerweile auch. Die versteckte Kamera habe ich immer noch nicht gefunden. Aber sie muss hier irgendwo sein.
Die Frau in der Zoohandlung, die mir ein Flohspray verkauft und einen Vortrag über die Entwicklungsstadien von Flöhen gehalten hat (und vermutlich nicht wusste, dass sie es Mrs Recherche zu tun hat, die sich in jedes Thema einfuchst, das ihr hingeworfen wird, sogar in solche wie Madenwürmer in Kinderbäuchen, Läuse auf Kinderköpfen oder Flöhe auf Wohnzimmerteppichen), hat auch gleich die Ursache ausfindig gemacht. Die Flöhe des Vormieterhundes sind es. Genauer gesagt die Puppen der Flöhe des Vormieterhundes. Die warten gerne monatelang auf günstige Lebensbedingungen, die es im Sommer aufgrund der trockenen Luft nicht gab und dann wurde es zu kalt. Und als es dann auch mir zu kalt wurde und ich an einem Tag mit wunderbar hoher Luftfeuchtigkeit die Klimaanlage zum Heizen im Schlafzimmer angemacht habe, BUMM, Flöhe geschlüpft. Dank der herrlichen Bedingungen. Hätte ich das gewusst, hätte ich gerne weiter gefroren oder mir einen weiteren Wollpullover übergezogen, statt sie ins Tiefkühlfach zu stecken zu meinen schönen Lammfellhausschuhen, wo die Bedingungen für die kleinen Flöhe, ihre Larven und ihre Puppen hoffentlich so mies sind, dass sie sich freiwillig ergeben und den Tod durch Erfrieren wählen.
Nun habe ich großzügig das Sofa und den Wohnzimmerteppich mit einem Spray aus der Zoohandlung eingenebelt, vielleicht etwas zu großzügig, denn für das Schlafzimmer blieb nichts mehr übrig. Ich bin gespannt, ob ich es jetzt noch wo hüpfen sehe, und ob sich noch irgendwelche Biester trauen, uns zu stechen!

Am Samstag, also in genau vier Tagen fahren wir nach Namibia los. Drückt uns die Daumen für ein Gespräch mit Victors Makler. Auf dass sie uns aus dem Vertrag rauslassen. Dann quetschen wir in die vier Tage noch einen Umzug rein, nehmen die Pullover aus dem Tiefkühlfach und lassen die Flöhe einfach hier zurück. Die können sich dann ja verpuppen, bis die nächste gute Gelegenheit ist. 

Und wenn Ihr jetzt noch nicht genug mit uns gelacht habt, dann haltet Euch fest. Sandi ist ja gerade in Deutschland und kümmert sich ein bisschen um seine Kanzlei. Das muss auch mal sein.
Aber jetzt kommt's. Sandi war keine zwei Tage dort, also in München. Aus Kapstadt nach München gereist. Und was passiert dort? Also in München, nicht in Kapstadt. 
Sein Ebike ist weg. Futsch. Geklaut. Aus einem Hinterhof in Neuhausen. 
Bin mir noch nicht im Klaren, ob es uns sicher genug sein wird, zurückzukehren. Immerhin hab ich mir dort eine gefürchtete Seuche eingefangen, Sandi wird sein Radl geklaut. Unsicheres Pflaster da, passt alle bloß gut auf Euch auf!

Aber das Positive an der Sache mit den sieben Plagen: Ich stehe noch. Ich kann drüber lachen. Manchmal zumindest. Und ich bewältige es. Es hätte sehr viele Momente in den letzten fünf Jahren gegeben, da hätte mich einer der Plagen völlig aus der Bahn geworfen. Und jetzt bin ich hier in einer fremden Stadt, alleine mit den Jungs, die ich durch die Gegend chauffiere, wische Böden auf, wasche und trockne und wasche und trockne Handtücher, renne im Schlafanzug im Regen herum, um Pools abzulassen, habe quasi täglich Victor zu Besuch, packe für eine vierwöchige Reise für Namibia, schmeiße den Haushalt, gehe den Jungs warme Klamöttis für die kalten Nächte in Namibia shoppen, organisiere vier Wochen Rundreise mit 19 Unterkünften und finde sogar einen Moment, Euch davon zu berichten. Wer weiß, was ich in den letzten Jahren hinter mir habe, der wird den Mund vor Staunen nicht mehr zu bekommen und ich bin stolz, denn ich wende einfach nur an, was mich diese Krankheit unter anderem gelehrt hat: Im Chaos auf mich zu achten, im Moment zu sein und einfach eines nach dem anderen zu machen. Minute für Minute, Stunde für Stunde, Tag für Tag, Hiobsbotschaft für Hiobsbotschaft.

Und wenn dann in all dieser Sintflut plötzlich ein schöner, klarer, blauer Tag dabei ist, man den Berg mal wieder sieht und ich die Jungs zum Surfen zum Strand fahre, dann weiß ich spätestens beim Überqueren des Kloof Nek und beim sich Auftun des nie langweilig werdenden Anblick des Atlantik, wofür wir das alles machen. Weil es hier einfach unfassbar schön ist. 
Und irgendwann wird auch diese Sintflut enden. Spätestens, wenn wir am Sonntag in Namibia sind. Ist ja eher ein niederschlagsarmes Land.





Kommentare

  1. Da muss ich sogar aus der Ferne erstmal tieeeef Luft holen!!!!!

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  2. Antonia, da sieht man mal wieder was man alles schaffen kann, wenn es das Universum mal wieder wissen will 💪. Wir wünschen euch von Herzen eine tolle Zeit in Namibia und ich freu mich schon sehr auf deine nächsten Abenteuer hier auf diesem Kanal. Meld dich bitte, wenn es wieder zeitlich passt für das Eiergeld 🐣

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  3. 🙈🙈🙈🙈🙈🙈🙈
    💪💪💪💪💪💪💪
    🍀🍀🍀🍀🍀🍀🍀

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