Rugby, Ozeane und eine Menge Demut

 Ihr Lieben, 

was habe ich Euch vernachlässigt und dennoch sehe ich den Statistiken, dass Ihr noch fleißig klickt und nachseht, ob sich was Neues getan hat. Jepp, ich weiß alles, was Ihr klickt. ;)

Hier hat sich viel getan. 
Südafrika ist Rugby-Weltmeister. Viel mehr kann sich für Südafrika nicht tun. 
Für einen Südafrikaner wären die letzten Wochen damit auch gänzlich zusammengefasst. Südafrika ist Weltmeister. Punkt. Größeres kann es nicht geben. Ein Weltmeistertitel im Fußball für Deutschland ist ein lauer Furz dagegen. 
Nun ist mir Rugby sowas von schnuppe und ich bin vermutlich die einzige im Land, die nicht eine Minute dieser Weltmeisterschaft gesehen hat. Aber dennoch habe ich mich riesig gefreut für Südafrika. Denn wenn eine Nation so einen Titel gebrauchen kann, dann ist es Südafrika. Einen Titel, über den sie alle jubeln. Ob schwarz oder weiß oder coloured. Es sind ihre Weltmeister. "Stronger Together!" lautet der Slogan der Springboks, der südafrikanischen Rugbymannschaft. Und ja, stronger together, das ist es, was dieses Land gebrauchen kann.


Wir hatten im Oktober Besuch von meinem Vater und im November von meiner Freundin Carol aus Australien und haben nochmal richtig einen auf Touriprogramm gemacht. Und jetzt, ganz ehrlich, sind wir durch damit. Zum Kap der Guten Hoffnung müssen wir in diesem Jahr nicht nochmal. Auch nicht auf den Tafelberg. Aber das ist auch gut so, denn viele Gelegenheiten wird es ohnehin nicht mehr geben für Touriprogramm und Erkundungstouren. Ein Jahr ist geschrumpft auf nun noch nichtmal mehr 10 Tage. Die Jungs haben bereits Abschied genommen von ihrer Schule und seit einer Woche Sommerferien. Und so schön es letztes Jahr war, dass die Ferien als Weihnachtsferien begannen und als Sommerferien endeten, so jäh wird es beim Aussteigen aus dem Flugzeug sein, wenn wir beim ersten Atemzug kalte Luft feststellen werden, dass so Sommerferien auch ganz schnell zu Winterferien werden können.

Die erste Ferienwoche haben wir für ein paar Tage am Meer genutzt. Also nicht dass Kapstadt nicht auch am Meer wäre. Aber wir dachten, wir sind nochmal ein paar Tage so richtig am Meer. Mit Meerblick und nach Meer riechender Luft und Meeresrauschen und so. 
Und wo gibt es das? 
Ein bisschen die Küste rauf in Paternoster. Dort haben wir den Blick aufs Meer und das Rauschen der Brandung im Ohr genossen. Wir haben jede einzelne Nuance an Blau aufgesogen, die so ein Meer zu bieten hat von tiefblau bis petrol, von helltürkis über bedrohlichgrau bis hin zu fahlgrün. 
Wir haben nichts unternommen. Nichts. Wir haben das Gefühl, für dieses Jahr unser Soll an Unternehmungen erfüllt zu haben. Und auf der Terrasse zu sitzen und den Wellen beim Brechen zuzuschauen, das kann einen auch ganz wunderbar fünf Tage beschäftigen. 

Der Abschied von diesem wunderschönen, unendlich weiten, in jeder Farbe gut gekleideten und in Kapstadt überall präsenten Atlantischen Ozean wird mit der schwerste werden. Wie um alles in der Welt soll man wieder ohne einen Ozean vor der Haustüre leben? 
Tatsächlich war bis hier in Kapstadt kein Tag vergangen in den mittlerweile 18 Jahren seit wir Australien verlassen haben, an dem ich nicht die Präsenz des Pazifiks vermisst habe. Ein Atlantik kann die Sehnsucht nach dem Pazifik stillen und umgekehrt. Sonst, sonst gibt es nichts, das das vermag.

Wir sind sehr nachdenklich in den letzten Tagen. 
Wir verkaufen Sachen, wir sortieren Sachen aus, wir spenden Sachen. Eigentlich spenden oder verschenken wir die meisten Sachen und verkaufen fast nichts. Ein klitzekleiner Beitrag, den wir vielleicht leisten können, ein paar Leuten das Leben, das es mit ihnen nicht so gut meinte wie mit uns, dennoch ein klitzekleinwenig leichter zu machen.

Still und leise nehmen wir Abschied, Ort für Ort, Tag für Tag von einem Land, das uns tief im Herzen berührt hat. Tiefer wahrscheinlich als je eines zuvor. Ich weiß nicht, kann einen Südafrika nicht berühren? Kann man unberührt nach Hause zurückkehren? Ich glaube, man wird es immer im Herzen tragen. Mit einer Mischung aus Wehmut und Glück und Weite und tiefer, tiefer Zuneigung. 

Wir nehmen Abschied von einem Land, das einen Demut lehrt.
Demut vor den Menschen. Den wundervollen Menschen, die so oft so arm sind und dennoch im Herzen so reich. Den Menschen, die so kreativ sind, so offen, so humorvoll, so freundlich, so warm und die immer ein reines Lächeln zu verschenken haben. 
Demut vor einer Nation, die sich noch lange nicht gefunden hat, die eigentlich innerlich zerreißen müsste aufgrund all der Ungerechtigkeiten, der Ungleichheiten, der verschiedenen Lebensweisen. Aber dennoch nennen sie sich stolz die Rainbow Nation und bei aller Ungleichheit verbindet sich doch eines: der Stolz auf ihr Heimatland. 
Ihr wunderschönes Heimatland. Ihr vielfältiges, abwechslungsreiches, spannendes und immer wunderschönes Heimatland.
Demut vor den Tier- und Pflanzenreichen, die nirgends so vielfältig oder so kurios sind und nirgends so zum Staunen anregen. Nicht ohne Grund fliegen Leute aus aller Welt nach Afrika, um sich die Tiere anzusehen. Und für eine Gärtnerin, die sich obendrein für jegliches Getier interessiert ist hier einfach nur ein Paradies. Ob Eidechsen auf der Terrasse, Schlangen am Wanderweg, Wale vor der Nase, Adler am Tafelberg, Muscheln am Strand, Schmetterlinge im Park oder gigantische Säugetiere im Nationalpark. Es ist ein Paradies. Ein unerschöpfliches Paradies. Und von den Pflanzen habe ich ja noch gar nicht angefangen zu schwärmen ...
Demut vor der Weite, der Leere, dem Nichts. Und dass es dennoch etwas gibt, dass dort überleben kann. Dem es nicht zu einsam, zu heiß, zu trocken, zu unwirtlich ist und der oder das die Einsamkeit, die Hitze und die Trockenheit vielleicht sogar zu schätzen weiß. 
Unser Planet ist einfach ein Wunder. Und dieses Land erinnert einen jeden Tag daran.

Südafrika lehrt einen außerdem, dankbar zu sein. Für das was man hat. Und für all die Probleme, die man nicht hat. Und für viele Dinge, die wir viel zu oft für selbstverständlich halten. 

Südafrika lehrt einen auch einen sehr viel unverkrampfteren Umgang mit der Tatsache, dass Menschen unterschiedliche Hintergründe, Hautfarben, Religionen oder Ansichten vom Leben haben. Ein Uber-Fahrer, mit dem ich ein sehr angeregtes Gespräch geführt habe (wie übrigens mit sehr vielen Uber-Fahrern - vielen Dank an jeden einzelnen, die alle dazu beigetragen haben, dass ich das Rätsel Südafrika ein bisschen besser verstehen konnte), der brachte es ganz wunderbar auf den Punkt: No matter what God we believe in, where we come from, what we eat and what colour we have, we all belong to the same race: the human race. 
Es ist noch ein weiter Weg bis dieser Satz in Südafrika in allen Bereichen als gelebte Realität ankommt. Aber sie haben sich aufgemacht. 
Ich wünsche ihnen, dass sie bald ans Ziel kommen. Gemeinsam.
Stronger together! 




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