Sossusvlei

Es gibt da so eine Regel. Und die sollte nie gebrochen werden.

Sie lautet: Wenn es einen Ort gibt, an dem es Dir besonders gut gefallen hat, der sich mit einer ganz besonderen Erinnerung in Dein Gedächtnis eingegraben hat und der vermutlich mit der Zeit nicht gewonnen hat, dann fahre dort nicht noch ein zweites Mal hin.

Einzige Ausnahme von dieser Regel gilt für Piran/Slowenien. Dort kann man immer wieder hinfahren und es wird jedes Mal von Neuem hinreißend sein.

Leider gilt letzteres nicht für Sossusvlei. Auf Sossusvlei ist ganz eindeutig die erste Regel anzuwenden.

Sossusvlei ist ein die meiste Zeit trockenes Sackgassen-Flusstal mit einem meist ausgetrockneten See am Ende, welches von gigantischen und gigantisch schönen, roten Dünen gesäumt wird. Es liegt im Namib Nauluft National Park und jeder kennt es von Bildern. Bildschirmhintergründe haben gerne die Dünen von Sossusvlei oder die toten Bäume des Dead Vlei als Motiv. Und mit Sicherheit ist Sossusvlei Namibias größte Touristenattraktion, die keiner auslässt.

Nun war ich dort vor zwanzig Jahren.

Wir waren damals alleine auf der Dune 45 und haben den Sonnenaufgang über den Dünen und dem Vlei bestaunt.

Wir waren damals alleine im Dead Vlei und waren voller Andacht angesichts der unglaublichen Schönheit dieses Ortes. Die weiß verkrustete Tonpfanne mit den vor rund 800 Jahren abgestorbenen Kameldornbäumen, dahinter die bis zu 380 m hohe, rostrote Big Daddy Düne und der tiefblaue Himmel. Eine Landschaft braucht nicht viel, um einen in ihren Bann zu ziehen.

Damals gab es einen kleinen Campingplatz und eine Schotterstraße ins Sossusvlei und ich habe den Ort als beglückend schön in Erinnerung.


Nun ist es etwas anders.

Die roten Dünen im Morgenlicht sind noch immer schön. Unfassbar schön. 

Und ich bin über alle Maßen dankbar und glücklich, dass ich es aus eigener Kraft geschaffft habe, eine bis zu 170m hohe Düne für den Sonnenaufgang zu besteigen. Ich war zwar die letzte, die oben ankam, aber ich war mit Sicherheit die glücklichste. 

Und es ist ein unbeschreiblich schönes Schauspiel, wenn die Sonne langsam erst den Himmel färbt und dann die Landschaft in ein Spektakel aus rotem, weißem und gelbem Sand verwandelt. Dünen, soweit das Auge reicht. Jede anders. Jede einzelne ein Kunstwerk, ein Bild mit einem perfekten Pinselstrich, der in einem eleganten Bogen oder einer erstaunlich nüchternen Gerade die leuchtende, rote Seite von der dunklen, dagegen völlig farblos wirkenden abtrennt.

Und im Dead Vlei ist es noch immer beeindruckend, dass Bäume aufrecht stehen, die im 14. und 15. Jahrhundert abgestorben sind. Es ist einfach zu trocken, als dass sie verrotten würden. Big Daddy ist noch immer ein Mordstrumm von Düne und der Himmel darüber immer noch betörend blau.


Aber.... meine Güte, hat sich das Drumherum verändert.

Tatsächlich kamen uns auf keiner anderen Straße in Namibia so viele Autos entgegen wie auf der nach Sossusvlei. Mein rechter Arm, dessen Aufgabe auf Fahrten auf Schotterstraßen es ist, bei Gegenverkehr die Lüftung auszumachen, damit man die Staubfahne der entgegenkommenden Autos nicht komplett auf dem Armaturenbrett, in den Haaren und in der Lunge hat, wurde schon ganz lahm vom vielen Lüftung aus und wieder an machen.

Und all die Leute müssen irgendwo wohnen, so dass es um Sossusvlei beinahe mehr Lodges und Camps gibt als im Rest des Landes zusammen. 

Nachts sind die Tore des Parks geschlossen und morgens bilden sich dort lange Schlangen von weißen 4x4s mit Dachzelt, die auf die Öffnung der Tore warten, um rechtzeitig zum Sonnenaufgang an den Dünen zu sein. Es müssen sehr viele Deutsche darunter gewesen sein. Wer sonst würde sich morgens, wenn die Tore eine Stunde vor Sonnenaufgang geöffnet werden, eine halbe Stunde vor der Öffnungszeit vor das Tor in eine Schlange stellen??? Wieso tut man sowas? Wieso schlafen die nicht ne halbe Stunde länger???

Die Dünen werden erklommen von ameisenstraßenähnlichen Menschenketten, bei denen sich die, die Schuhe tragen, fragen, ob sie besser barfuß hätten gehen sollten und die, die barfuß sind, überlegen, ob sie nicht besser Schuhe hätten anlassen sollen. Aber ob Schuhe oder barfuß, eine Düne zu erklimmen ist immer mühsam.

Beim Dead Vlei ein gigantischer Parkplatz, der es bald mit dem Starnberger See aufnehmen kann. Sogar ein Shuttle fährt dorthin für all die Leute, die sich einen Allrad mieten und sich dann auf den einzigen 4km, auf denen sie ihn wirklich bräuchten, nicht trauen zu fahren. War irgendwie ganz witzig. So ein Parkplatz mit Allradfahrzeugen vor der Allradstrecke, die von einem Allradshuttle bedient wird. Aber jeder wie er will. Es fahren auch noch genügend Leute hinter und vielleicht ist das auch keine besonders gute Idee, so zerfahren, wie das Tal dorthinten mittlerweile ist.

Da werden sie sich langfristig was einfallen lassen müssen.

Im Dead Vlei dann Leute überall. Es hatte ein bisschen was von Markusplatz. Leute auf den Dünen, die Dünen hinunterrennende Leute, auf den Dünen schreiende Leute und überall Leute im Vlei, die trotz der Schilder, man solle die Bäume nicht anfassen oder nicht auf ihnen herumklettern, Bäume für Fotos umarmten, sich auf umgefallene Bäume setzten oder die sonderbarsten Posen einnahmen, um die Bäume und sich in instagramgeeignete Szene zu setzen.

Ich hasse es, wenn Leute keinen Respekt vor einem Ort und seiner Besonderheit haben. Und ein Baum, der vor 800 Jahren in einem austrocknenden Tal abgestorben ist und heute noch aufrecht steht, der hat allen Respekt verdient, den wir kurzlebige Menschen ihm nur entgegenbringen können.

Außerdem war's sauheiß mit vormittags um halb 11 bereits 32 Grad. Das hat zu meinem Fluchtreflex durchaus beigetragen.

Und unser Camp war schrecklich. Also, dass es eine Wüste war, erstaunt in der Wüste nicht allzusehr. Aber Wüste kann so oder so sein. Für einen Campingplatz in der Wüste hätte es jedenfalls nicht staubiger und heißer sein können... und wir haben mittlerweile durchaus Erfahrung, wie Campen in der Wüste so ist. Da gibt es durchaus ganz nette Fleckchen. Nach einem Sandsturm beim Einpacken hatten wir dann auch Wüste überall wohin sie bis dahin noch nicht vorgedrungen war. In den Hosentaschen, in den Zelten, in den Schuhen, in den Haaren, in den Scharnieren unserer Brillen und natürlich jede Menge auch im Auto.

Ich kann empfehlen, sollte jemand sich mal sehr schnell bräunen wollen: nichts von einem aufkommenden Sturm ahnend in die Dusche gehen, sich danach eincremen, dann nach draußen an die frische Luft treten und huuuui, mit der ersten Böe des inzwischen aufgekommenen Sandsturms ist man herrlich rostrot gebräunt. Den Rest des Tages. Oder bis man wieder duscht. Gleich wieder duschen kann ich nicht empfehlen: bringt eh nix!

Das einzig Gute an unserem Camp: Oryxantilopen lieben es. Sie streifen nachts zwischen den Zelten umher, um die Früchte, der Kamelddornbäume zu fressen. Steinharte Schoten, die Raphael mit einem großen Stein kaum aufbrechen konnte. Sie scheinen für einen Oryx sowas wie Chips oder Cracker zu sein. Ganz unglaublich jedenfalls, wie nah die Tiere an einen ran kamen und wie wenig scheu sie waren. Teilweise waren sie keine zwei Meter entfernt und morgens haben wir ihre Hufabdrücke gesehen. Direkt neben unserem Zelt. Auch Abdrücke von Schakalpfoten haben wir zuhauf gefunden. Aber die Schakale scheinen auf die Begegnung mit den Menschen nicht so scharf zu sein, sie haben sich erst ins Camp getraut, wenn alle Menschen in ihren Zelten verschwunden waren.

Eine bemerkenswerte Begegnung hatten wir jedoch noch. An einem Abend saß eine riesengroße Eule im Baum des Nachbarstellplatzes. Was für ein schönes Tier. Sie saß da auf dem Ast im Licht des Mondes und hat ihren Kopf von rechts nach links und von links nach rechts gedreht. Was Eulen eben so tun. Sie hat uns keines Blickes gewürdigt, uns armselige, flügellose Kreaturen. Sie saß einfach nur da und hat der Dinge geharrt, die da kommen oder nicht.

Ach, und nicht vergessen wollen wir natürlich den Sesriem Canyon, Namibia geizt ja wirklich nicht mit geologischen Besonderheiten. Zu einer Sandwüste gigantischen Ausmaßes, vor 800 Jahren abgestorbenen Bäumen, fein säuberlich aufgereihten roten Dünen und Oryxantilopen gibt es noch einen Canyon obendrauf. Ich hatte ihn als mäßig spektakulär in Erinnerung und ihn so meinen Männern angekündigt.

Nachdem wir echt keinen Bock mehr auf all die Menschenmassen hatten, haben wir den Canyon nach guter alter Erbmanier abgearbeiet (ich meine, warum sind wir auch so bescheuert, zum Sonnenaufgang auzustehen??? Haben wir doch noch nie gemacht!!!). Und zwar kurz vor knapp. Kurz vor Sonnenuntergang.

Was für einen bewehrte Taktik. Einfach hingehen, wenn alle anderen schon weg sind. Und es hat geklappt. Wir waren ganz alleine im Canyon im Abendlicht. Die Kante wurde gerade noch orange angeleuchtet und unten war es herrlich kühl nach einem für den Winter irre heißen Tag von weit über 30 Grad. Wir haben alle Arme des Canyons erkundet, haben den Vögeln zugehört, die ihre Abendlieder gesungen haben und die Männer waren nach meinem Understatement sehr positiv überrascht und auch ich habe mich gefreut über einen so schönen und versöhnlichen Abschluss für zwei ambivalente Tage in Sossusvlei.


Kommentare

  1. Ui, das war bei uns nicht so voll. Da hatten wir wohl Glück. Nachdem das Soussusvlei mein persönliches Namibiahighlight war, muss es anders gewesen sein.

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    1. Es ist ja auch schön. Keine Frage. Und wenn man mal ganz alleine dort war, dann ist das schwer zu toppen. Ich hätte nicht nochmal hinfahren sollen. Ganz einfach. Aber nicht hinfahren geht ja auch nicht... und jetzt waren wir eben dort.

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  2. Na wenn das mal nicht die Julia ist... ja, halte Dich an die Regel, unbedingt. Fahr nicht nochmal hin... an den Canyon im Abendlicht erinnere ich mich. Aber nicht an das Dach 🫣

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