Skeleton Coast

Woohoo, auf zur Küste!

Die Fahrt im Morgenlicht von Twyfelfontein ans Meer war atemberaubend! Im weichen Licht der Morgenstunden ist dieses Land einfach unvergleichlich schön.
Die Straße eilte zunächst schnurstracks auf die Berge zu. Zu unserer Rechten und Linken Sanddünen, die sich an den Leeseiten der Berge gebildet hatten. Dann schlängelten wir uns durch die Berge. Alte, rote, steinige Berge, deren Hänge zunächst mit goldgelb changierenden Rasen aus vertrocknetem Gras überzogen waren, dann von Sukkulenten gesprenkelt, bis die Vegetation immer und immer spärlicher wurde und wir die Berge verließen über eine wieder endlos gerade Schotterpiste in einer endlosen Schotterebene, in der nur noch vereinzelte Welwitschias wagen zu wachsen.

Schnurgerade Richtung Meer, rechts und links die ersten weissen, von schwarzen Steinteppichen überzogenen Dünen, einer schöner als die andere, so dass man gar nicht wusste, ob man den Kopf nach rechts oder links drehen sollte, bis irgendwann am Horizont das tiefe Blau des Meeres sich zum Himmelblau gesellte und klar war, der Bick geht von nun an hauptsächlich nach vorne!

Das Meer erreicht man zunächst dennoch gar nicht. Steinebenen, Salzpfannen oder Sand, soweit das Auge reicht, dörren in der Sonne zwischen Meer und Straße, während sich in der anderen Richtung hinter weiteren endlosen Ebenen, die im Flimmern der Hitze aussehen wie riesige Seen, die hellen Duenen erheben.
Sand, so viel Sand!
Wir fuhren zunächst ein Stück nach Norden, nach Torra Bay.
Torra Bay klingt irgendwie, als könnte man dort ein Mittagessen bekommen. Aber im Juni ist Torra Bay geschlossen. Also nix mit Mittagessen. Einen Versuch war's wert.
Und was nach einem netten Ort klingt, ist nichts als ein riesiger Campingplatz direkt am Meer, der genau zwei Monate im Jahr geöffnet hat, im Dezember und Januar. Dann strömen Familien aus Namibia und Südafrika dorthin, bauen ihre Zelt-Megacities auf, trinken Bier und angeln.
Die Küste bietet einen außergewöhnlichen Reichtum an Fischen und angeln muss wohl so einfach und ergiebig sein wie das Auflesen von Regenwürmern aus dem Rinnstein nach einem Wochenende Dauerregen. Keine Unterkunft, die keine Kühltruhen anbietet, um den Fang gleich einzufrieren. Anglerbedarf ist überall zu bekommen, also überall da, wo irgendetwas zu bekommen ist. Vom überall shoppen könnte man an der Skeleton Coast nicht weiter entfernt sein. Aber wenn es wo was zu kaufen gibt, dann Angelhaken.
In Torra Bay jedoch sitzen zwei junge Männer, zwei Brüder, und sorgen für die Instandhaltung des Campingplatzes.
Der Campingplatz liegt an einem der vermutlich wildesten und rauhesten Strände Afrikas, manchmal hat es dort zwei Wochen am Stück Seenebel. Und Seenebel bedeutet, dass man ein Buch, das man in Händen hält, nicht lesen kann. Es sei denn, man ist extrem kurzsichtig natürlich. Der nächste Ort ist in Richtung Landesinnere ist 220 km entfernt und in Richtung Süden 240 km. In Richtung Norden möchte wir gar nicht an einen nächsten Ort denken, würde auch nichts bringen, gibt es dorthin eh keine Straße. Die beiden Brüder haben kein Auto, es gibt keinen Bus und ausser ein paar sonderbaren Touristen wie uns, die dorthin hochfahren, obwohl sie wissen dass es dort nichts gibt und vermutlich hin und wieder ein Versorgungslaster kommt da oben nicht viel vobei. Ausser ein paar Robben, hin und wieder eine robbenfressende Hyäne oder als Highlight alle heiligen Zeiten ein Wüstenlöwe. Jepp, die ziehen durch den Nationalpark. 150 Stück an der Zahl. Leider sind sie eher scheue Gesellen und nicht sehr gesellig, zumindest nicht was Menschen angeht, so dass wir keinen zu Gesicht bekommen haben. Angesichts der Größe des Parks und der Anzahl der Löwen wäre eine Begegnung allerdings auch unwahrscheinlicher, als die sprichwörtliche Nadel im Neuhaufen auf den ersten Griff zu finden. Wenn man nachts beim Zelten jedoch auf die Toilette muss, dann ist das schon ein bisschen unheimlich.
Die Brüder am Campingplatz aber, die leben dort oben in Torra Bay seit acht Jahren! Seit ACHT Jahren!!! Acht Jahre in der Einsamkeit mit nichts als Sand und Wellen und Wind und Nebel und einen Sommer von unertraeglicher Hitze. Acht Jahre! Da hört sogar meine Sehnsucht nach Einsamkeit auf.

Jedenfalls freuten die Brüder sich über ein bisschen Gesellschaft und boten an, uns eine in der Nähe ansässige Robbenkolonie, ein Schiffswrack und eine tote Hyäne zu zeigen. Also fuhren wir mit einem der Brüder ein Stückchen die Straße nach Süden an den Strand. Der Bruder fuhr. Er zeigte uns mal, wofür so ein Allrad gut ist und wie er zu fahren ist, während wir uns die Augen zuhielten und hofften, dass unser seit Etosha kaputtes Shock Bearing diese Herausforderung auch noch meistern würde. Hat es. Und wir finden es sehr erstaunlich, dass so ein Teil am Auto offenbar so wichtig gar nicht ist, wenn man damit hunderte von Kilometern auf Waschbrett runterrattern kann und sich am Zustand des Bearings eigentlich nichts zum Schlechten verändert. Aber nur als kleine Randnotiz, das Teil ist nicht deshalb noch nicht repariert, weil wir gerne mit einem klappernden Shock Bearing über Schotterpisten rappeln, sondern weil wir es vor Swakopmund nicht reparieren lassen können. Nun hat es aber nur noch gut 250 km vor sich, das Ersatzteil ist bereits bestellt und der Termin in der Werkstatt reserviert.
Beim Ausflug mit dem Campingplatzbruder jedoch wurde nach nur etwa einer Minute am Strand klar, warum das Ding Skeleton Coast heisst. Knochen üüüuberall. Robbenschädel, Robbenfinger, Robbenwirbelsäulen. Vogelschädel, Vogelflügel, Vogelwirbelsäulen. Walwirbel, Walrippen, Walschädel. Und dazu die tote Hyäne. Auch Hyänen müssen irgendwann sterben wie es aussieht.

Wo Robbenknochen den Strand übersäen, da gibt es neben einer Menge riesiger Geier, die ihre gigantischen Schwingen ausbreiten, sobald man sich nähert, natürlich auch Robben. Viele Robben. Massen an Robben. Stinkende Robben. Faszinierend war, wie tief sie schlafen, man steht direkt neben ihnen und sie wachen nicht auf. Das nenn ich mal einen einfachen Happen für einen hungrigen Löwen. Ich meine, man denke nur an diese lästig im Zickzack springend fliehenden Springboks und an mit rippenbrechenden Huftritten auf Angriffe reagierende Giraffen. Da ist so eine wohlgenähte, fette Robbe im Tiefschlaf eigentlich des Löwen Traum.
Ein Schiffswrack haben wir ebenfalls gesehen, die liegen zuhauf an der Küste rum und es ist ganz erstaunlich, wie schnell das Meer dort es schafft, die Schiffe zu erlegen und zu sich ganz zu holen. wir haben unter anderem ein im Jahr 2005 auf Grund gelaufenes Fischerboot gesehen. Faszinierend, wie wenig davon noch übrig war. Nur noch ein Skelett. Die Skeleton Coast eben.

Wir sagten den Brüdern vielen Dank und auf Wiedersehen und fuhren nun endgültig nach Süden. Durch Salzpfannen, Felder von scharzem Gestein, durch Ebenen voller schneeweißer Quarzfelsen, durch roten Sand, weißen Sand, grauen Sand. Rechts das Meer mit gigantischen Wellen, links die Dünen in der Nähe oder Ferne. Hin und wieder hielten wir an einem Wrack, einer verlassenen Diamantenmiene oder einer dahinrostenden Industrieanlage.
Rost ist hier ein ganz großes Thema. Stahl ist kein Material, das den Wetterextremen und der Kombination von salziger Seeluft, Sand, dichtem, nassem Nebel, gleissender Sonne und tosendem Sturm allzuviel entgegenzusetzen hat. Bei der alten Industrieanlage konnten wir alle Stadien von verrostetem Stahl begutachten und das wirklich erstaunliche war, dass eine große hölzerne Kabeltrommel sehr viel besser aussah als das darauf aufgewickelte Stahlseil.

Straßenschilder sind von Rost zerfressen, Autowracks zerfallen am Straßenrand zu rostrotem Staub und teilweise machen sogar die Steine mit beim fröhlichen Dahinrosten, wären sie eigentlich schwarz, sind sie von einer rostroten Schicht überzogen.

Unser Camp an der Kueste hiess St Nowhere und war nach xx Kilometern der erste Punkt menschlicher Besiedelung seit dem von zwei Brüdern bewohnten Torra Bay.

St Nowhere hielt, was der Name verspricht. Hatte ich bisher immer geglaubt, das Ende der Welt damals auf Taveuni/Fiji gefunden zu haben, ich möchte nicht ganz ausschließen, dass es vielleicht doch in St Nowhere liegt. Und dass die Erde doch eine Scheibe ist, von der man plötzlich runterfällt, wenn man sich bei St Nowhere nur ein bisschen zu weit aufs Meer hinauswagt.
Raphael kam in diesem Anglercamp, in dem wir die einzigen Gäste waren, weil es zur Zeit keine Angler gibt, an und fragte: Und was machen wir hier jetzt???
St Nowhere ist ein Campingplatz direkt am Strand und man kann nicht anders als darauf zu vertrauen, dass die Leute, die den Platz angelegt habe, das mit der Flut schon im Hinterkopf gehabt haben. So alt wie die sanitären Anlagen aussahen, haben sie allerdings tatsächlich schon die ein oder andere Flut überstanden, also hatten wir Hoffnung, dass sie es auch noch eine weitere Nacht tun würden. Man erreicht den Platz über gigantische rote Salzfelder, die sonderbar angelegt aussahen aber so richtig erschlossen hat sich uns der Sinn der sache nicht, für Speisesalz war das ganze zu dreckig. Oder stellen die Flächen eine Art Schutz vor der Flut dar?
Raphael war mega tapfer. Ein Ort im absoluten Nirgendwo, an dem es zwar WLAN gibt, dieses aber nur für die Angestellten zur Verfügung steht, ist nichts für einen Teenager. Was war er erleichtert, dass wir nur eine Nacht dort geblieben sind. Viel mehr als Knochen am Strand suchen könnte man dort allerdings tatsächlich nicht machen. Aber sehr schöne Wirbel gab es.
Schnell weiter am nächsten Morgen zum Cape Cross. Dort lebt eine Robbenkolonie von wahrlich atemberaubenden Ausmaßen. Um die 10.000 Tiere. Und das sind atemberaubend viele Tiere, hauptsächlich aber sind sie von atemberaubendem Gestank.

Robben sind echt niedliche Tiere und ihrem Surfen in den Wellen, ihrem so ungeschickt wirkendenden aber doch erstaunlich flinken Gang an Land, ihrer Art sich, die Sonne ungehemmt auf den Pelz scheinen zu lassen und ihrem dauernden Gestänker und Gestreite um den besten Platz an einem Ort, an dem es unbegrenzt viele beste Plätze gibt, kann man stundenlang zusehen. Sie sind niedlich, sie sind süß, sie sind wirklich ganz entzückend. Aber man kann sagen was man will, sie stinken. Sie stinken sowas von. Noch Stunden später habe ich die Jungs gefragt, ob meine Jacke so nach Robbe stinkt oder ob ich den Geruch nur noch in der Nase sitzen habe. Sandi war ich sicher, dass wir nun auch nach Robbe stinken. Zum Glück ist mittlerweile der Gestank entweder verflogen oder aber aus unseren Nasen wieder raus. Ach, und neben einer echten Geruchsbelästigung sind die Robben auch ganz unfassbar laut. Man kommt sich vor wie in einer gigantischen Schafherde, in der alle Schafe immer und die ganze Zeit blöken. Aber sowas von süß waren sie dennoch und wir haben sogar über ihren Gestank hinweggerochen.

Vielleicht werde ich im nächsten Leben Robbe. Ein bisschen in der Brandung surfen, sich den Bauch mit Fischen vollschlagen und dann in der Sonne dösen. Sah irgendwie ganz entspannt aus. Zumindests sehr viel unkomlizierter, als Mensch zu sein.
Und schwuppdiwupp waren wir in Henties Bay, unserem Pitstop. Tankstelle, erster richtiger Supermarkt seit Windhoek, Mittagessen im Cafe (jippie war das schön), Ferienwohnung mit - haltet Euch fest - Betten, Waschmaschine, Strom, warmer Dusche und WLAN. Erstaunlich, wie sehr man sich nach so kurzer Zeit über solch eigentlich selbstverständliche Dinge freuen kann. Und was gibt es schöneres als frisch geduscht im frischen Schlafanzug in ein frisch bezogenes Bett zu gehen.... herrlich..... Gute Nacht.

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