Alles neu macht der Mai

Mittlerweile können wir es wirklich nicht mehr leugnen.
Der Herbst ist da.
So richtig. 
Die letzten Tage pfeift ein Wind über den Berg und durch die Stadt, dass man besser die Ohren anlegt, ansonsten wird man huuuuii.... einfach weggeweht. Wir vertrauen nur deshalb darauf, dass wir eines Morgens nicht mit unserem Haus irgendwo anders aufwachen - einfach weggeweht samt Haus - weil das Haus ja seit 1893 schon mehrere Jahre allen Herbst- und Sommer- und was auch immer Stürmen erfolgreich Widerstand geleistet hat. An Ort und Stelle. 
Freitag dachte ich "hm, irgendwie zieht es doch ein wenig, wenn ich auf dem Sofa sitze..." Und da ich noch nicht schnell genug war, um für alle Türen Zugluftstopper zu häkeln, habe ich ein großes Duschhandtuch zu einer dicken Wurst aufgerollt und vor den Spalt unter der Terrassentüre gelegt. Und nach einer Böe saß ich wieder auf dem Sofa und dachte mir "hm, irgendwie zieht es doch ein wenig, wo mag denn das nun herkommen?" Hatte doch die Böe glatt die dicke, fette Handtuchwurst weggeweht. Das bedeutet natürlich, dass die Böe sehr beeindruckend war, noch mehr sagt es allerdings aus über den Spalt unter der Tür. Und der ist fast noch beeindruckender als die Böe.
Und solche Spalten haben wir einige. Im Bad muss man sich nicht die Füße abtrocknen, das geschieht von ganz alleine nach 2 Böen und im Schlafzimmer sind wir sehr dankbar, dass wir sehr dichte Vorhänge haben, so dass wir nicht einfach von einer nächtlichen Böe aus dem Bett geweht werden.

Zum Glück ist es nicht immer windig in dieser Stadt. Zum Glück.

Aber auch die Supermärkte haben alle Herbst- und Winterartikel in die Regale geräumt. Thermoskannen, Heizlüfter, Heizstrahler gasbetrieben, Heizstrahler strombetrieben, warme Decken, Heizdecken, Wolldecken und natürlich Wärmflaschen. Meine Jungs wissen jetzt auch, warum meine Wärmflasche mit im Gepäck war, nachdem sie mich im Dezember völlig fassungslos für verrückt erklärt haben: "Du nimmst eine WÄRMFLASCHE mit???" "Wartet's ab", hab ich gesagt und mir gestern sehr zufrieden vor dem Schlafengehen meine deutsche Wärmflasche aufgefüllt.

Neulich bekamen wir eine Ladung Feuerholz für unseren Kamin. "Oh Schreck!" hatten wir gedacht, "wer soll denn das nur alles verbrennen?" Es war ein riesiger Berg Feuerholz. Eukalyptus, falls es jemanden genauer interessiert.
Und jetzt wissen wir, wer es verbrennen soll. Denn nach nur 2 Wochen ist der Haufen deutlich geschrumpft. Das liegt einmal an den beeindruckenden Spalten unter den Türen und zum anderen an der für deutsche Verhältnisse unfassbaren Ineffizienz unseres kleinen Kamins. Wir stecken Holz um Holz in das Ding und wenn wir in unseren Kaminofen zu Hause solche Mengen Holz hineinstecken würden, würde wir spätestens nach einer halben Stunde in einer Sauna sitzen und der Ofen anfangen zu glühen. Der hier saugt einen Scheit nach dem anderen weg, zieht die Wärme über den Kamin nach draußen und was bin ich dankbar, dass ich intuitiv bei der Auswahl der Sitzplätze am Esstisch im Februar den Platz gewählt habe, der am nächsten zum Kamin ist. Bis zu meinem Platz strahlt er ab. Viel weiter nicht. Weshalb wir jetzt auch 22€ in zwei kleine Heizlüfter investiert haben, insbesondere, damit Raphael in seiner Kammer nicht erfriert.

Philipp hingegen, ist ganz hart im Nehmen. Der zieht das mit dem Sommer gnadenlos durch. Er hatte seit unserer Ankunft hier noch keine lange Hose an. Und morgens auf dem Schulweg ist es jetzt doch schon ein wenig frisch.... 

Das interessanteste am Herbst hier ist aber gar nicht der Sturm und auch nicht das Angebot im Supermarkt oder unser Feuerholz. Nein, es ist die Pflanzenwelt.
Während die aus irgendeinem fragwürdigen Grund aus Europa hergebrachten Laubbäume, hauptsächlich Stieleichen und Platanen, das tun, was die meisten europäischen Laubbäume im Herbst nunmal so tun, nämlich ihr Laub abwerfen, hört man von den heimischen Arten ein Seufzen der Erleichterung und ein Hell Yeah! Der heiße Sommer ist vorüber, jetzt lässt es sich endlich wachsen und blühen und sprießen ohne diesen lästigen Überlebenskampf! 
Und es grünt und sprießt und es wird sich zum Blühen rausgeputzt. Das Gras wächst in üppigst grünen Büscheln, wo vorher verdorrtes Braun auf dem Boden nichtmal hat vermuten lassen, dass irgendetwas den Sommer überlebt haben könnte. Es ist herrlich, wunderschön, so lass ich mir das mit dem Herbst eingehen. Und niemals hätte ich gedacht, dass man hier auch das Maigrün findet, das ich so liebe. Das Grün, das ich dachte, das es nur in einem austreibenden Buchenwald im Mai geben könne. 
Man wird Sandi und mich jetzt öfter irgendwo im Fynbos am Tafelberg oder anderswo antreffen, wo ich mich über jede einzelne Blüte freuen und sie fotografieren werde... derweil die Jungs mit den Augen rollen, ich hab's genau gesehen... 

Der Fynbos, gesprochen Feinboss, wörtlich übersetzt Feinbusch, und von den holländischen Siedlern so genannt, die mit der niedrigen, knorrigen Strauchvgetation nicht so recht was anzufangen wussten - zum Glück für die Vegetation, sag ich da nur.
Der Fynbos ist die Vegetation des Kapensis, eines eigenen Florenreichs, was sehr beachtlich ist, wenn man bedenkt, dass es derer nur sechs (!!!) auf der ganzen Welt gibt. 
Unser Florenreich in Europa, die Holarktis und umfasst ganz Nordamerika, Europa (jepp, von ganz Nord nach ganz Süd), Asien grob nördlich des Himalaya und Nordafrika. Ganz schön groß also. 
Der Fynbos dehnt sich in Südafrika am Kap über eine Fläche von 90.000 km² aus, was etwa der Größe Portugals entspricht. Ein klitzekleines Bisschen kleiner also als die Holarktis und so ist das Kapensis das mit sehr großem Abstand kleinste Florenreich
Und dennoch ist der Fynbos das Florenreich mit der höchsten Artendichte, welche sogar, und das finde ich einfach unglaublich, die Artendichte der Regenwälder im Amazonas übersteigt. Auf seinem klitzekleinen Raum beherbergt das Kapensis mit ca. 8.500 Arten 3% aller Pflanzenarten der Welt und 20% der Arten Afrikas. Selbst Charles Darwin höchstpersönlich war im Jahr 1836 hier am Kap, hat ein wenig geologisiert und sich vermutlich auch nicht nehmen lassen, ein bisschen über die Evolutionstheorie zu sinnieren. Wo - neben den Galapagosinseln natürlich - lässt sich das besser tun als hier am Kap bei über 6.000 endemischen Arten, von denen viele, viele, endemisch sind an nur einem bestimmten Berghang oder in einem kleinen Gebirgstal?

Auf den ersten Blick sieht er etwas langweilig aus, der Fynbos. Kleine, knorrige, bräunliche Sträucher so weit das Auge reicht. Aber wenn man genauer hinsieht, dann entdeckt man überall kleine oder große Schätze in Form von Proteas, Ericas, Orchideen oder Pelargonien. Ja, auch unsere gute alte Geranie hat hier ihren Ursprung. Und sie legt, sich, wie ich gestern auf unserem Lieblingsweg am Fuße des Tafelbergs gesehen habe, mächtig und grün ins Zeig, um bald zu blühen. Ich bin gespannt...
Zeit auch mal wieder in den botanischen Garten nach Kirstenbosch zu gehen! Falls jemand mit möchte?

Aber wir waren nicht nur mit Bestimmungsbuch und Becherlupe im Fynbos unterwegs. 
Es bleibt sportlich!
Philipp ist neuerdings nicht nur im Leichtathletikteam der Western Province, nein, er ist nun auch im Volleyballteam. Das kam nun nicht so ganz überraschend, denn Volleyball hat er im Gegensatz zum Speerwurf ja schon öfter mal trainiert. Aber hey! Einer von 12 Spielern im Großraum Kapstadt, der in die nächste Runde gekommen ist! In zwei Wochen ist die Sichtung für das Team des Western Cape, das ist dann die Provinz, sowas wie bei uns ein Bundesland. Das wird spannend, drückt ihm die Daumen. Er hat schon ganz gute Chancen! Wovon wir nur leider immer noch keinen blassen Schimmer haben, ist, wie es dann weitergeht und was diese Auswahl denn dann macht. Wir hoffen nur, dass sie nicht in George, irgendwo in 500km Entfernung trainieren und nicht genau dann irgendwelche Tourniere gegen die anderen Provinzen spielen möchten, wenn wir gerade irgendwo durch die Wüste in Namibia cruisen wollen... werden...

So, noch ne Stunde bis zum Sonnenuntergang. Ich muss los! Sandi und ich machen noch ein Spaziergänglein auf der windabgewandten Seite des Berges.... mit Meerblick.... und Sonnenuntergangsblick.... und mit - jepp, Ihr habt's erraten! - Fynbos!

Kommentare

  1. Wow, dass die Natur im Winter so ein Gas gibt und sich so schön zeigt! 🤩

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