Four Way Stop

Während ich hier schreibe, sitze ich in einem Café in Muizenberg am Strand, trinke einen Rooibos-Cappuccino und schaue auf die Wellen, in denen die Jungs sich mit ihren Surfbrettern tummeln. Sie waren so freundlich, mich zu begleiten, dass ich nicht ganz alleine zum Strand fahren muss. Und wo die Wellenvorhersage gar so gut war, ließen sie sich glatt noch überreden, ihre Boards und Neoprenanzüge mit in den Kofferraum zu werfen... damit ich mal ganz in Ruhe mittagessen kann. So nette Jungs, findet Ihr nicht auch?
Nun sind wir schon wieder über eine Woche zurück von unserer letzten Tour und wenn man nicht sofort darüber schreibt, dann wird das irgendwie nichts.
Inzwischen ist unser Besuch auch schon wieder zu Hause und ich schreibe noch ein paar Zeilen über unsere kleine sechstägige Reise, nicht, dass es am Ende so ist, als hätte sie nie stattgefunden.
Es ging über das Kap Agulhas, den südlichsten Punkt des afrikanischen Kontinents und den Ort, wo sich der Atlantische und der Pazifische Ozean treffen. Ganz unspektakulär tun sie das und den Felsen die dort im Wasser liegen scheint das alles völlig schnups zu sein. Ich meine, es gibt genau zwei Punkte auf der Erde, wo sich der Atlantik und der Pazifik treffen. Am Kap Hoorn und am Kap Agulhas. Und den Felsen ist es einfach schnups. Und am Kap Agulhas gibt es außer einem Markierungsstein und Touristen, die sich dahinter, darauf oder davor fotografieren lassen und dem Two-Oceans-Bottleshop, dem Two-Oceans-Café, den Two-Oceans-Souvenirs, dem Two-Oceans-Pub und der Two-Oceans-Lodge nicht viel, was auf die geographische Bedeutung des Ortes hinweisen würde. Die Natur ist eben über alle Maßen bescheiden. Vielleicht würde die Natur einem die geographische Bedeutung etwas eindrucksvoller näherbringen, wenn man versuchen würde, das Kap mit einem Segelboot zu umrunden. Das ist wohl in der Vergangenheit nicht allen, die dieses Anliegen hatten, immer so geglückt wie erhofft.
Dann ging's weiter nach Wilderness, das gar nicht so wild ist, wie es klingt, und mit seinen Seen, Flussmündungen, Schluchten, Wasserfällen, Stränden und völlig überflüssigem Regen ein sehr wasserbetonter Stopp war. Da müssen wir mal länger hin, es war viel zu schön für nur zwei Nächte und das nächste Mal nehmen wir uns unbedingt ein paar Kanus für all die Seen und Flüsse und Schluchten, das sah alles schon sehr einladend aus. Und wir buchen ohne Regen und Seenebel, so dass wir unseren Meerblick von der Badewanne aus auch gebührend genießen können. 

Und dann düsten wir schon über die erste Gebirgskette weg vom Meer in die Straußenhauptstadt der Welt, Oudtshoorn, wo ich mit 5 Rand für Straußenfutter auf der Straußenfarm eine der besten Investitionen aller Zeiten getätigt habe. Philipps Blick, als die Straußen über den Eimer mit Futter, den er in den Händen hielt, hergefallen sind, war die 5 Rand sowas von wert. Die Tiere haben etwas sonderbare Essmanieren und wirken etwa so wie das Krümelmonster, nur dass das Krümelmonster keinen so langen Hals hat, mit dem es Schwung holen und kräftig picken kann. Was war das für ein Spaß, die verrückten Vögel zu füttern! 
Kurz die Cango-Caves, eine riesige Tropfsteinhöhle mitgenommen und weiter über den nächsten Gebirgszug über den Swartbergpass, eine der spektakulärsten Passstraßen, die wir je erfahren durften, unglaublich, was für Blicke in die Ebene, in Canyons, in Täler und einfach über die Weite der Karoo sich boten. Und schwuppdiwupp waren wir schon unten in der Karoo, einer Halbwüste, durch die man einfach ewig, ewig, ewig weitercruisen könnte und in der wir in einem holzbefeuerten Hot Tub die Aussicht aufs und ins Nichts genossen haben und Raphael sehr glücklich war, dass es bei den Quad-Bike-Touren niemanden interessiert hat, dass er erst 14 ist.

Weiter über ein kleines privates Game Reserve, in dem Sandis Mutter und Schwester vier der Big Five gesehen haben, und schon waren wir wieder zurück nach Kapstadt.
Ein Ründchen, das auf der Karte für jemanden, der mitteleuropäische Standards gewohnt ist, so aussieht wie eine kleine Spritztour von München über den Tegernsee zum Schliersee. In Wahrheit sind es etwa 1.100km und somit ca. zehn mal so weit wie die Tegernseerunde. Nur dass mal natürlich stetig dahincruisend für 1.000km in der Karoo wesentlich kürzer braucht als einmal über die A8 zum Tegernsee und zurück an einem sonnigen Herbstwochenende.  
Es war eine wunderschöne, abwechslungsreiche kleine Reise mit so wundervollen Blicken in die Weite und das nächste Mal nehmen wir uns für jede Station mindestens eine Woche vor, damit wir auch noch alles mitnehmen können, was wir dieses Mal am Straßenrand links und rechts haben liegenlassen müssen.

So, und nun zum eigentlichen Thema. Der Four Way Stop.
Ich habe keine Ahnung, wer den Four Way Stop erfunden hat. Ich habe mich dazu ein wenig belesen und festgestellt, dass er gar nicht so selten ist, wie man als ordnungsliebender Deutscher meinen könnte. Es gibt ihn in den USA und in Kanada, in Mexiko und in ländlichen Gebieten Australiens (und ich dachte, die hätten wir gründlichst abgegrast, an einen Four Way Stop kann ich mich allerdings beim besten Willen nicht erinnern. Vielleicht weil er in ländlichen Gebieten Australiens so wenig Relevanz hat. Ich meine, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich im australischen Outback zwei Autos an einer Kreuzung treffen??? Welche Autos? Und vor allem: welche Kreuzung???). Und bestimmt auch noch wo anders. Auf alle Fälle gibt es ihn in Südafrika und Kapstadt ist zugepflastert mit Stoppschildern. Denn bei einem Four Way Stop steht für jede Zubringerstraße zu einer Kreuzung ein Stoppschild. Was logischerweise heißt, dass idealerweise alle stoppen.
So wunderbar einfache und einprägsame Regeln für einen Four Way Stop wie in Südafrika habe ich sonst allerdings nirgends gefunden. Diese lauten: An der Kreuzung anhalten, schauen und wer zuerst da war, fährt zuerst. First come, first served. Voll logisch, oder? Und jetzt kommt das ganz Erstaunliche: ich meine, dies ist ein Land, in dem ja eigentlich nicht viel funktioniert. ABER: der Four Way Stop funktioniert. Ob sich vierspurige Landstraße und ein Feldweg kreuzen, man durch verkehrsberuhigte Wohnviertel schleicht oder im Berufsverkehr durch die Stadt wälzt. Es funktioniert. Die Leute halten an, lassen sich freundlich der Reihe nach fahren und es gibt da keine Diskussionen, kein Gestikulieren, kein Ausfallendwerden. Wenn bei Loadshedding die Ampeln ausfallen, dann fährt einfach mal hier jemand und dann mal dort und das folgt irgendwelchen Naturgesetzen, die niederzuschreiben noch kein Wissenschaftler gewagt hat, zu komplex sind die Faktoren, die das Gebilde um eine Loadsheddingampel beeinflussen. Es ist absolut faszinierend. Ich meine, man stelle sich nur vor, die Ampeln auf der Lindwurmstraße würden ausfallen und irgendwie würden die Leute einfach alle friedlich den Goetheplatz gleichberechtigt in alle Richtungen überqueren und nichtmal bei den Fußgängern gäbe es größere Verluste. Also ich kann es versuchen, wie ich will, mir fehlt die Phantasie dazu.... 
Aber vielleicht ist das mit dem Frieden im Statt-Ampel-Four Way Stop der Tatsache geschuldet, dass es ja schon einen gemeinsamen Gegner gibt: der Energiekonzern Eskom, der schuld sind, dass es statt einer funktionierenden Ampel einer Four Was Stop Regelung überhaupt bedarf, weil sie nicht genügend Strom liefern, damit all die theoretisch sehr praktischen Ampeln betrieben werden können.
Und so lässt man abbiegen und kreuzen und das Ganze funktioniert genau solange, bis ein deutscher Tourist mit an der Kreuzung steht. Denn der hat es sowas von drin, dass nunmal der Vorfahrt hat, der geradeaus fährt und nicht der, der über die Kreuzung abbiegt. Oh, wie fies haben Sandi und ich den armen, höflichen und geduldigen Mitverkehrsteilnehmern schon die Vorfahrt genommen! Autschi. Und wie oft waren wir schon sehr dankbar, dass die Mitverkehrsteilnehmer so höflich und geduldig sind! Wir hätten sonst mit Sicherheit schon zwei Kotflügel und drei Türen weniger an unserem Auto. Danke, liebe Mitverkehrsteilnehmer!
Und dann gibt es diese Kreuzungen, große Kreuzungen, an denen die Ampel ausfallen. Sowas wie die Endgegner im Four Way Stopp Action Spiel. Nur so als kleine Randnotiz glaube ich übrigens nicht, dass der Erfinder des Four Way Stopps mit der Erfindung des Loadsheddings gerechnet hatte, nein, das wäre selbst für Südafrika eine zu verrückte Idee gewesen. Also stehen wir im Stau vor der Ampel, umdrehen nützt nichts, da gibt es schließlich auch keinen Strom für die Ampel. Folglich gibt es nur eine Richtung. Und die heißt nach vorne. Und wenn man sich dann vorgearbeitet bis an die Haltelinie und hat nun sechs Spuren zu überqueren, dann hat man keine Ahnung wie das jemals gehen soll und man sieht vor dem geistigen Auge den Stau hinter sich bis in die Unendlichkeit anwachsen... Aber irgendwie und gottgegeben gibt es da irgendwann den Moment, da ist man dran. Der Moment, den kein Wissenschaftler jemals genau wird definieren können. Dann weiß man einfach, dass man fahren kann. Da gibt es sowas wie ein kollektives Einverständnis und dann gibt es auch keine Zeit mehr für ein Stoßgebet, dann vertraut man einfach darauf, dass alles gut gehen wird, schließt die Augen und fährt los. Und siehe da, es klappt! Keiner, der einem in die Seite rumst, kein Fußgänger, den man nebenbei mitnimmt, keiner dem man selber in die Seite rumst. Und ehe man sich's versieht ist man drüben und hofft, dass doch bitte bald das Loadshedding vorbei sein möge... auf dem Rückweg wenigstens.... bitte...

Ich werde übrigens immer wieder gefragt, ob ich das mit den Eiern ernst meine. Völlig ernst!
Seht hier das Beweisfoto einer Großspende von letzter Woche. Philipp und ich haben am Ostermontag 21 Packungen Eier à 18 Stück gekocht. Wir waren ein Weilchen beschäftigt. Der Topf war einige Male voll. Aber: uns sind nur 3 Stück kaputt gegangen!!! Die wir aus unserer eigenen Packung ersetzt haben. 


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