Ladles of Love

Nur um Euch zu beruhigen und falls Ihr Euch allzu viele Sorgen um uns gemacht hattet: der vorübergehende Herbst ist vorbei. Der Sommer freundlich zurück und heute ist sogar ein windstiller Tag! Bis jetzt zumindest. Man kann ja nie wissen, was der Abend so bringt....


Und alle, die seit dem letzten Post darauf warten, wie es Philipp in der nächsten Runde beim Speerwurf ergangen ist, will ich erlösen: Leider hat sich Philipp beim Einwerfen am Ellenbogen verletzt und war dementsprechend nicht in Bestform. So ein Ellenbogen ist beim Speerwurf doch ein nicht ganz überflüssiger Körperteil, wenn Raphael auch meinte, warum Philipp nicht einfach den linken Arm genommen hat. Das nur eine kleine Spitze am Rande vom Linkshänder unserer Familie. 
In Bestform hätte Philipp die Runde der letzten acht erreichen können, so wurden wir etwas früher erlöst von einem weiteren Nachmittag im Leichtathletikstadion, wo es im Zuschauerbereich für den Speerwurf am meisten gezogen hat und einem mal wieder ständig Dreck ins Gesicht gepustet wurde. 
Aber beeindruckend waren die Athleten der Northern Zone, wo genau im Norden die auch liegen mag. Offenbar gibt es dort einen Speerwurftrainer und so wurden die Athleten der anderen Regionen weit, weit, weit abgehängt mit Aaaah- und Ooooh-würdigen Würfen. Aber den Spaß war die ganze Aktion allemal wert und mittlerweile geht es auch dem Ellenbogen wieder gut.

Die Tage seit meinem letzten Post waren sportlich geprägt von Beachvolleyballturnieren, Surfen in zu großen Wellen, Leichtathletik, Schwimmen und Handball. Weil das aber nicht wirklich spannender ist als zu Hause - bis auf das Surfen natürlich, da das zu Hause total unspannend ist - erzähle ich Euch heute von den Ladles of Love.

Kapstadt ist eine wunderschöne Stadt. Ich weiß nicht, welche Stadt, die ich kenne, über mehr natürliche Schönheit verfügt als Kapstadt. Ich weiß nichtmal, ob mein geliebtes Sydney mithalten kann. Und Sydney ist so unglaublich schön.
Aber diese Stadt hier, wenn man über den Kloof Nek fährt zwischen Tafelberg und Lion's Head und sich dann plötzlich weit unten die dunkelblaue Weiten des Atlantiks auftun, ich weiß nicht, was kann schöner sein? Oder wenn man aus dem Haus geht und man immer, immer diese Blicke auf den Tafelberg hat, egal ob von nah oder fern, und wie die watteweichen Wolkendecken lautlos an seinen Hängen heruntergleiten. Oder die rundgeschliffenen Felsen in Clifton und Llandadno, die aussehen, wie Murmeln, die vor langer, langer Zeit aus der Hosentasche eines gigantischen Riesen gefallen sein müssen. Liegengeblieben für die Ewigkeit. Zu groß selbst, als dass die Kräfte von Wind und Ozean ihnen etwas zusetzen könnten.
Und dann gibt es da in der Mother City all die wundervollen Menschen aller Hautfarben, aller Religionen, mit all ihren Muttersprachen und all ihren unterschiedlichen Küchen! Und dazu unbedingt ein andermal mehr.

Aber heute soll es gehen um die dunklen Seiten dieser Stadt und um einen Hoffnungsschimmer.

Man kommt in Kapstadt nicht daran vorbei, dass einem ins Gesicht gebrüllt wird, was soziale Ungerechtigkeit ist.
Während die einen für 40.000 Rand (ca. 2.000€) pro Nacht in Clifton in ihrer Villa logieren und mit Meerblick Austern schlürfen (welche wohlgemerkt in den 40.000 Rand nicht enthalten sind), bekommt ihre Putzfrau 400 Rand (ca. 20€) am Tag und verdient damit noch vergleichsweise gut. Um zurück nach Khayelitsha ins Township zu kommen, muss sie ungefähr 45 Rand ausgeben. Bleiben ihr also 310 Rand, wenn man bedenkt, dass sie ja auch für 45 Rand zur Arbeit fährt. Für 310 Rand bekommt man im normalen Supermarkt 500g Butter, 1 Honigmelone, eine Packung Toastbrot, 2 Gurken, 250g Mozzarella, 1 Flasche Wasser und eine Packung mit 18 Eiern. Für eine Flasche Flüssigwaschmittel müsste man den Mozzarella und die Honigmelone wieder aus dem Einkaufswagen schmeißen. Und Kleidung, Schuluniformen, Hygieneprodukte, Spielsachen, Medikamente oder Schulutensilien sind in dem Warenkorb auch noch lange nicht enthalten, geschweige denn Strom, Wasser oder Müllentsorgungsgebühren.

Das mit dem Wohlstand ist ein gnadenloses Spiel und es gibt bekanntermaßen viel zu viele Verlierer. 
Und während wir in Europa auf unserer Insel der Seligen sitzen und dank Stacheldrahtzäunen an EU-Außengrenzen und Frontexpatrouillen im Mittelmeer das Elend nicht jeden Tag mit ansehen müssen, das wir u.a. durch unser Konsumverhalten und durch unser profitgieriges Wirtschaftssystem überall auf der Welt verursachen, kommt man hier nicht herum, sich mit den Leuten, die nicht auf der Gewinnerseite stehen, und dem, was man von ihrem Leben mitbekommt, tagtäglich auseinanderzusetzen. Und das lässt einen demütig werden, sehr demütig vor diesen Leuten, die nichts ihr eigen nennen außer ein Zuhause in einem kleinen selbstgebauten Verschlag am Straßenrand und die trotzdem immer ein Lächeln und ein freundliches Wort aufbringen. Wo nehmen sie diese positive Energie nur her? Und was könnten Leute mit soviel positiver Energie in dieser Welt bewegen, wenn sie nur die Chance dazu bekommen würden?
Und das Schlimme in Südafrika ist, dass es eigentlich für jeden eine Chance gäbe. Ein Land so reich an Bodenschätzen, Ressourcen für erneuerbare Energien und so viel Naturschönheit könnte jedes Kind ernähren und allen Erwachsenen eine Lebensgrundlage für ihre Familien ermöglichen. Wenn da nicht das Ding mit der Korruption wäre. Aber auch das ein Thema, das wir besser ein andermal behandeln.

Wenn man auf der Autobahn durch die endlosen Ebenen aus Kapstadt herausfährt, in die sich die Townships ausdehnen, dann glaubt man nicht, dass es jemals Gerechtigkeit geben wird und ein Südafrika, in dem abends alle satt ins Bett gehen.

Aber es gibt sie doch, die Hoffnungsschimmer.
Und einer davon heißt Ladles of Love.

Die Geschichte von Ladles of Love ist bemerkenswert und wundervoll. Ein Restaurantbesitzer wurde in einem Workshop, zum Thema 'giving back to the society' dazu inspiriert, in seiner Restaurantküche Suppe zu kochen und diese an Bedürftige auf der Straße zu verschenken. Bald begann er, mit mehreren Freiwilligen, Suppe zu kochen und auszugeben und was im Jahr 2014 mit 70 Portionen Suppe in der Woche startete, ist mittlerweile bei mehr als 200.000 Portionen pro Woche angekommen, die von Freiwilligen aus Essenspenden gekocht und im Rahmen der sog. dignity kitchen an Bedürftige ausgegeben werden. 200.000 Portionen! Ist das nicht unfassbar!
Aber nicht nur das. Ladles of Love ist zu einer riesigen gemeinnützigen Organisation herangewachsen.
Sie unterstützen andere non profit organisations wie kleinere communal kitchens in den townships mit der Bereitstellung von Lebensmitteln. 
Sie setzen sich ein für den Aufbau von urban gardening Projekten, die es Leuten ermöglichen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. 
Sie haben das Feed the Soil Projekt auf die Beine gestellt, mit Hilfe dessen sie Küchenabfälle einsammeln, kompostieren und den fruchtbaren Kompost an die urban gardening Projekte verteilen. Wenn man seinen Kompost jeden Donnerstag abgibt, kann man am selben Stand auch gleich Gemüse in Bioqualität einkaufen, welches auf dem Kompost aus dem eigenen Biomüll gewachsen ist. Wir sind übrigens auch Feed the Soil Biomüllsammler. Alle sind happy. Die Mülltonne, weil sie nicht so stinken muss. Unsere deutschen Mülltrennungsseelen, weil sie keine Gemüsereste in den Restmüll werfen. Die Kompostwürmer, die ein lecker Fresschen bekommen. Die Gemüsegärtner, die den Kompost als Basis verwenden, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Unser Planet, weil das Gemüse weder gespritzt noch für den Verkauf in Plastik verpackt wird. Und Ladles of Love, weil ihr Plan voll aufgeht.
Aber das ist auch noch nicht alles. Sie sammeln Essensspenden ein. Das sind große Spenden gewerblicher Spender aber auch ganz kleine. Dazu gibt es in der Stadt Sammelstellen, an denen man einfach abgeben kann, was man beim Einkauf mehr in den Wagen gelegt hat. 
Natürlich sammeln sie auch Hygieneartikel, gut erhaltene Kleidung oder Schreibwaren für Schulkinder.
Eine große Sache ist auch das Realise your Dream Programm, um das sich junge Unternehmensgründer mit Ideen rund um die Themen Essen, Ernährung, Küche bewerben können.

Und dann gibt es noch den Sandwich Drive. Und der ist, wie ich finde, die coolste Idee.
Ladles of Love geben nicht nur in ihren Küchen Suppe aus, sie fahren auch in die Townships und verteilen dort andere Lebensmittel wie Sandwiches and z.B. Kindertagesstätten. Das ist der Sandwichdrive. Beim Schmieren der Sandwiches kann man entweder als Freiwilliger direkt bei Ladles of Love mitmachen und dort hunderte Sandwiches an einem Vormittag schmieren. Oder - und ist das nicht cool? - man kann sie zu Hause schmieren und an einer der Sammelstellen in einem bestimmten Zeitfenster abgeben. Das ist nun meine wöchentliche Dienstagvormittagsbeschäftigung. Immer montags gehe ich Brot und Erdnussbuttertöpfe einkaufen und Dienstag schmiere ich Sandwiches, die ich dann zu der sehr netten Tierarztpraxis ein Stück die Straße rauf (ja, es geht immer rauf in dieser Stadt!) bringe. Und eine große Packung hartgekochte Eier mit dazu
Das ist natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber wenn immer mehr Leute mitgerissen werden von den Ideen wie denen von Ladles of Love, dann wird irgendwann niemand mehr hungern müssen in dieser Welt. Und das ist dann erst der Anfang....

Ein weiteres unglaublich tolles Projekt nennt sich Love in a Bowl. Dabei handelt es sich um ein ebenfalls rasend schnell wachsendes urban gardening Projekt in Hout Bay, in dem Ort, in dem wir den ersten Monat verbracht haben. Dort wird in Permakultur Gemüse angebaut und verkauft. Mit dem Erlös wird die lokale Community unterstützt, z.B. durch das Bereitstellen von Gemüse für die Kindertagesstätten. Wir haben heute unsere erste Love in a Bowl Bestellung bekommen. Heute Früh ist das Gemüse noch gewachsen, heute Mittag haben Philipp und ich es schon gegessen. Es ist eine Überraschungstüte, ähnlich wie bei einer Biokiste. Heute waren interessante Sachen drin. Vom Fenchel hätte ich eindeutig lieber die Knolle als das Grün gehabt aber wer weiß, vielleicht schmeckt das Pesto, das ich aus dem Grün machen werde (danke Google für diese Idee) aber ja noch besser als mein geliebter gedünsteter Fenchel mit Olivenöl und Zitrone....
Und die Männer werden diese Woche noch ihre Liebe für Mangold und Rote Bete entdecken müssen, denn davon haben wir auch reichlich. 

Und weil Ihr jetzt bestimmt alle noch sehr viel mehr über Ladles of Love und Love in a Bowl wissen möchtet und dringend die Spendenadressen sucht, sind hier die Links zu Ladles of Love und Love in a Bowl.

Und wer es noch einfacher möchte, dem koche ich am nächsten Montag ein paar Eier mit. Eine Packung mit 18 Eiern von glücklichen Hühnern kostet 64,99 Rand. Meine Lieblings-Währungsrechnerapp von XE sagt, das sind 3,37 Euro. 
Wer ist dabei? Es ist noch Platz im Topf.
Mein Paypalaccount (unter meiner Emailadresse Vorname@Nachname.de) nimmt x mal 3,37 Euro jederzeit entgegen. Wäre doch gelacht, wenn wir den Topf nicht vollkriegen!!! 







Kommentare

  1. Ich lese und reise ja bei diesem Blog schon immer gerne mit - is echt super gut geschrieben 😃🛩️🌍!!
    Dieser Post hat aber auch einen extra Kommentar verdient:
    ▶️ COOL👌🏼❗◀️

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    1. Vielen Dank, Moni! Deiner Eiergeld ist angekommen!!! Ich geh gleich einkaufen :)

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  2. Liebe Antonia, es ist so schön das es dich gibt , ich würde am liebsten in den Flieger steigen und jeden Tag Sandwiches 🥪 streichen, einfach nur um auch ein wenig mehr helfen zu können, als nur Eiergeld zu schicken. Sei beschützt.

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