Pinguine

Endlich! Pinguine! 
Bestimmt habt Ihr schon mindestens genauso sehnsüchtig darauf gewartet, Pinguinfotos zu sehen, wie wir darauf, Pinguinfotos zu machen.
Aber der Reihe nach, ich werde Euch jetzt erstmal ein bisschen Lesestoff in die Tastatur hacken und wenn Ihr das alles schön brav gelesen habt, daaaaaaann gibt es Pinguinfotos. 
Aber nicht schummeln und einfach runterscollen! Auch wenn Pinguinfotos sicher sehr dazu verlocken.

Also, wir waren am Wochenende endlich mal weg. Wenn Kapstadt auch für ein Jahr genug Freizeitmöglichkeiten bietet und ständig irgendwo was los ist, dachten wir, wir müssen mal raus. 
Gesagt getan. Wohin war uns eigentlich egal, am Meer sollte es sein, da die Lust auf ein Wochenende im Landesinneren nur mäßig groß ist, wenn man gerade eine Woche mit bis zu 36° und Föhnsturm überlebt hat. Gerade so überlebt hat. Denn man entgeht dem Schicksal, als südafrikanisches Trockenfleisch - Biltong genannt - zu enden nur knapp, wenn man unter diesem Berg wohnt, an dessen Hang heiße Winde herabbrechen, die jedes klitzekleine Bisschen an Feuchtigkeit (und auch alles andere, was man nicht festhalten oder mit der Erde verankern kann) mit sich reißen, dessen sie nur habhaft werden können. So ein Alpenföhn ist ein säuselndes, mildes Lüftlein dagegen, was der Tafelberg hier mit den Südwinden anstellt. Aber dazu vielleicht ein anderes Mal.
Wir haben also auf die Karte geschaut und dachten, ach, klingt Betty's Bay nicht nett? Dann mal nichts wie hin!

Nichts wie hin, dachte unser Auto, klingt irgendwie voll öde, und beschloss am Freitag Abend, sein Leben auszuhauchen. Zum Glück tat es das vor unserer Haustüre und zum Glück hat es sich nach einer Weile auch wieder soweit selbst wiederbelebt, dass man es wenigstens absperren konnte. Und zum allergrößten Glück hatte es gerade noch Raphaels endlich, endlich, endlich gekauftes Surfbrett nach Hause transportiert, so dass Raphael es in der tobenden Brandung unseres Pools ausprobieren konnte.... während Sandi noch fluchend um das Auto herumsprang und das einfach nicht mehr zum Leben erwachen wollte.
Am nächsten Morgen, dem eigentlich Betty's Bay Morgen hat Sandi sich aufgemacht, heldenhaft, während wir alle noch geschlafen haben, um herauszufinden, was des Autos Problem ist und das Auto regte sich auch wieder ein klitzekleines Bisschen. Werkstatt um die Ecke, Diagnose Lichtmaschine, Autohändler Kopf abreißen, Autohändler kleinlaut Ersatzwagen bereitstellend und Reparatur durchführend. Bis Sandi mit dem Ersatzwagen wieder daheim war, hatten wir uns auch schon alle aus dem Bett geschält und waren fast abfahrtbereit.

Es sollte an der großen False Bay entlang gehen, deren westliches Ende das Kap der Guten Hoffnung bildet und das östliche das nicht ganz so bekannte, aber nicht minder schöne Betty's Bay.

Erster Stop Strand. Strand hat, wie der Name vermuten lässt, einen Strand. Einen großen. Und vollen. Und es gab Wellen. Wenn auch sonst nicht sehr viel Attraktives. Aber das Surfbrett kam zu seinen Wellen, das ist schließlich das Wichtigste. Um nicht zu sagen das einzig wichtige.

Und dann nach einem Pass, einem kleinen Umkehren, weil der Tank sich vor Erreichen des nächsten Ortes zu leeren drohte, einem Waldbrand, einem verqualmten Tal am Wegesrand und ein paar Löschhubschraubern, ein paar Blicken über die False Bay im Licht des späten Nachmittags und unzähligen Versuchen, ohne Internetempfang eine Google Maps Navigation aufzurufen, waren wir auch schon in Betty's Bay. 
Einen kleinen Vortrag über das Verhalten von Pavianen in von Menschen besiedelten Gebieten und die daraus folgenden Verhaltensweisen von Menschen in von Pavianen durchstreiften Gebieten, die Einweisung in das paviansichere Schloss, die paviansicheren Terrassentüren und Fenster und Kommunikationsregeln im Falle von Pavianen im Haus später, waren wir auch schon in unseren Meerblickzimmern und ich habe mich mit meinem Tee nur deshalb auf die Terrasse hinausgetraut, weil die Besitzerin versichert hat, dass die Paviane zu solch später Zeit keine Beutezüge durch die Gärten mehr machen, sondern sich schon in ihre Nachtlager zurückgezogen haben. Ja, ich habe gut aufgepasst bei dem Vortrag. Denn wenn es Tiere gibt, vor denen ich ECHT Respekt habe, dann sind es Paviane. Und ich will keinen von denen in meinem Zimmer haben und ihm zusehen, wie er meine Lieblingskekse wegmampft. Und die machen solche Sachen!
Betty's Bay hat vorne Strand und hinten Berge. Man kann sich also drehen und wenden wie man möchte, man hat immer einen Blick, für den es sich lohnt, sich zu drehen und zu wenden und aaah und oooh zu sagen. Ich möchte gar nicht wissen, wie oft man aaah und oooh sagen würde, wenn man zur Blüte der Proteas dort wäre. Das muss ein unglaublicher Anblick sein.

Außerdem gibt es in Betty's Bay jede Menge Wanderungen, die wir nicht gemacht haben, aber wer weiß, vielleicht kommen wir wieder. Schon alleine wegen der Proteas. 

Es gibt außerdem einen zuckersüßen botanischen Garten am Hang der Berge mit kleinen Wegen in verschiedene Schluchten, in denen Wasserfälle und Bäche und kleine Seen warten, dass man sich an ihnen erfreut. Meine Familie war unglaublich tapfer, dass sie da mit mit reingegangen sind, vor allem Philipp, der offenbar das Trauma Kirstenbosch Botanical Gardens von vor zwei Wochen doch besser weggesteckt hat als erwartet, als er dachte, er geht mit seinen Eltern mal eben für ein Stündchen in den botanischen Garten und damit in die Falle getappt war. Denn so eine landschaftsarchitektonische Mutter geht so schnell da nicht mehr raus. Nur noch diesen Weg. Und schau mal hier! Da muss ich schnell ein Foto machen. Oder zwei. Und das gibt's doch nicht, was macht denn nur ein Quercus robur hier? Tapfer, tapfer, sind sie also wieder mit mir in einen botanischen Garten und ich glaube, ganz still und heimlich hat es sogar den Jungs gefallen. Ich hab mich auch zurückgehalten mit den botanischen Studien.

Ja, was gibt es in Betty's Bay noch? Strände, Dünen, Rockpools, ein nettes Café und etwas, das ich erst überhaupt nicht verstanden, habe, bevor Raphael es mir erklärte: In Kapstadt gibt es ja oft Gitter und Zäune und Türen. Selbst in Geschäfte wird man oft erst nach dem Klingeln hineingelassen. In Betty's Bay aber scheint es grundsätzlich so sicher zu sein, dass man eigentlich keine Zäune und Stacheldraht und Gitter benötigt. Und dennoch waren vor den Geschäften und dem Café Gittertüren. Und noch dazu welche, die man von außen öffnen konnte. Ich meine, was für einen Sinn ergibt das bitte?
Ganz einfach: es waren Paviangitter. Weil der Mann im Minimarkt es vermutlich nicht so wahnsinnig erbaulich findet, wenn eine Horde Paviane in seinen Laden einfällt und ihm die Chipstüten und Haferflocken plündert. Oder weil die Frau im Café es ziemlich schade findet, wenn sich ein Pavian in ihre selbstgebackenen Kuchen setzt. Und die machen sowas, diese Viecher. Im Café habe ich ein Faltblatt gelesen zu paviansicheren Mülltonnen und dass sich junge Paviane durch Öffnungen ab 5cm quetschen können. Und dass man sein Obst im Garten ernten soll, wenn es reif ist und dass man Kindern beibringen muss, dass sie jegliches Essen, das sie in der Hand halten, sofort fallenlassen, sobald sie einen Pavian sehen. 
Sandi und ich hatten so ein Tier übrigens mal im Auto sitzen. Vor 20 Jahren am Kap der Guten Hoffnung. Völlig unbedarft sind wir auf den Parkplatz gefahren, hinten die Fenster ZUM TEIL geöfffnet und auf der Rückbank eine halbe Pizza im Karton. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass wir mit dem Auto noch nicht ganz standen, als ein Pavian hinten auf der Rückbank saß und schneller als wir in unserer Überraschung das Wort Baboon stotternn konnten, mit der Pizza auch wieder verschwunden war. Seitdem mag ich diese Tiere nicht mehr. Fieser und gewiefter sind nur die Möwen auf dem Markusplatz in Venedig. Aber die haben auch Flügel, damit lässt es sich leicht gewiefter sein.

Aber genug von den Pavianen, der Post heißt ja Pinguine! Ich hab Euch lange genug warten lassen. Die Pinguine. Hach, da kann ich jetzt ins Schwärmen kommen! Alleine schon ihre kleinen, schrumpeligen Füßchen! So süß! Und wie sie einfach dastehen und es ihnen dabei offenbar so gar nicht langweilig wird... oder sie können das irre gut überspielen. 
Und keine Sorge, denen ist hier nicht zu heiß. Ich meine, sie sind freiwillig hier. Niemand hindert sie daran, ihre Verwandten in der Antarktis zu besuchen. Aber irgendwie scheint es ihnen hier ja zu gefallen. Nicht umsonst heißen sie auch African Penguin, sie müssen also schon ne Weile hier sein, sonst hätten sie vermutlich einen anderen Namen abbekommen. Auf Deutsch sind sie übrigens die Brillenpinguine. 
Sie sind das ganze Jahr über hier. Sie brüten hier, sie jagen hier, sie werden hier gejagt und wenn sie all das nicht tun, dann stehen sie am Strand und warten, bis es wieder Zeit ist, einer der genannten Tätigkeiten nachzugehen. Und sie sind so putzig. Wenn sie ihre Flügelchen ausstrecken, um sich kräftig zu recken, sich aufeinander legen, obwohl das doch physikalisch und aufgrund ihrer Körperform fast unmöglich erscheint, sie mit ihrem Schnabel im eigenen Federkleid oder dem des Partners herumstochern oder einfach nur paarweise dastehen und aufs Meer Blicken. Und ich hätte soooo gerne einen mitgenommen, von mir aus auch zwei, damit einer nicht so alleine ist, und sie in unseren Vorgarten an den Rand des Pools gestellt. Ich hätte ihnen auch Fisch gekauft. Frischen. Jeden Tag. Aber diese Nationalparks sind ja immer No-Take-Zones und ich fürchte, diese Regel umfasst Pinguine. Also haben wir sie stehengelassen und soooo sehr die Leute beneidet, die von ihren Terrassen auf die Pinguinkolonie blicken, tagein, tagaus und denen die Pinguine beim Bau ihrer Bruthöhlen die Gärten durchbuddeln. Ich meine, einen umgepflügten Garten zu haben, weil Pinguine darin brüten? Wer würde das nicht in Kauf nehmen? Und stellt euch nur vor, wenn dann ein flauschiges PinguinBABY in Eurem Garten groß wird. Viel mehr bräuchte zumindest ich nicht für mein Glück auf Erden!

Afrikanische Pinguine gibt es übrigens auch näher an Kapstadt, wir dachten nur, Betty's Bay wäre der ruhigere Ort, um sie zu besichtigen und dem war auch so. Aber grundsätzlich gibt es Pinguine bis Namibia hinauf. Weil das Wasser auch bis dort oben so schweinekalt ist, dass es auch nur für die fetten Robben, Wale, Haie und Pinguine taugt. Und so kann man sich über die eigentlich nur für eine Kaltwassertherapie eignenden Wassertemperaturen, die Kapstadt so bietet, darüber hinwegtrösten. Dass es dafür eben Pinguine gibt. Und man ist neidisch auf ihre schrumpeligen kleinen Füßchen, mit denen das im Wasser Stehen bei weitem nicht so schmerzhaft zu sein scheint wie mit zwei Menschenfüßen.

Jede Menge Kormorane gab es übrigens auch. Aber die sind leider nicht so süß und schaffen es daher kaum in einen Nebensatz. Irgendwie unfair. 

Und neben Betty's Bay gibt es den Ort namens Pringle Bay, der ebenfalls über einen wunderschönen Strand verfügt mit unverschämt schöner Bergkulisse im Rücken und außerdem Wellen, in die auch Surfanfänger von ihren Eltern gelassen werden. Und wir haben uns gefragt, ob es wohl einen besseren Ort gibt irgendwo auf dieser Welt, wenn man aufs Meer blicken und ansonsten grundsätzlich in Ruhe gelassen werden möchte. Aber Moment. Auch dort gab es überall paviansichere öffentliche Mülleimer. Und die sind sicher nicht umsonst da. Einen Haken musste die Sache ja haben....












Kommentare

  1. Bitte, bitte nicht aufhören zu schreiben, liebe Antonia, es ist gerade so schön 😍. Zumals ich in Bettys Bay tatsächlich schon war …

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    1. Danke, liebe Simone! In Betty's Bay, sollte man auch wirklich mal gewesen sein. Gut, dass wir zwei das schon abgehakt haben. Nicht, dass wir was verpasst hätten ;)

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  2. Liebe Antonia, es klingt so wie Du das alles schreibst einfach traumhaft. Kaputtes Auto, 36 Grad ....egal da möchte man einfach tauschen. Ein Pinguin hat mich schon mal gebissen eine Pawian noch nicht... 😉

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    1. Liebe Mira, mich hat tatsächlich auch schon ein Pinguin gebissen. Vor 20 Jahren hier in Kapstadt. Aber er hat es so liebevoll gemacht, ich konnte ihm gar nicht böse sein.

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    2. Ich auch nicht. Auf Teneriffa war das, weil ich umbedingt oben ins Becken schauen musste 😁. Pawian muss nicht sein....

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  3. Liebe Antonia, 
    ich habe gerade alle bisherigen Blogbeiträge in einem Rutsch durchgelesen - und was war das für eine schöne und erlebnisreiche Lektüre. Vielen Dank für diese wunderbaren Eindrücke. Es klingt ein bisschen, als sei Astrid Lindgren zurückgekehrt. "Alltag in Kapstadt" statt "Ferien auf Saltkrokan" :-) Wirklich toll. Ich freue mich auf Fortsetzung. Liebe Grüße an alle, Inga

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    1. Liebe Inga, das freut mich, dass es unterhaltsam war :) Und danke für Dein Kompliment. Ein größeres hätte es nicht sein können. Wo es doch keinen Künstler oder keine Künstlerin gibt, die ich so sehr liebe wie die einzigartige Astrid Lindgren.

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