Sechs Wochen

Manchmal scheint es, als gäbe es in Südafrika nur drei Zeiteinheiten:

- 10 minutes: Du kaufst bei einem Imbiss Sushi oder ein beliebiges anderes Gericht. Es wird heißen, dass es in zehn Minuten fertig sein wird. Es soll schon passiert sein, dass das Essen tatsächlich nach zehn Minuten fertig war, dazu gibt es Anekdoten. Ansonsten ist ten minutes ein dehnbarer Begriff und umfasst alles zwischen 20 und 60 Minuten. Am besten macht man also in diesen zehn Minuten seinen Wocheneinkauf, geht zum Friseur oder nutzt die Zeit für ein wenig Kontemplation. Man muss sich nur darauf einlassen und schon wird es zu einer fantastisch effizienten Entspannungsübung, jemandem dabei zuzusehen, wie er voller Hingabe eine Avocado in hauchdünne Streifen seziert und beinahe schon meditativ Sesamkörnchen für eine California Roll abzählt. Man hat in der Zeit nur besser das Auto nicht im Halteverbot geparkt. Dann wird das erfahrungsgemäß nichts mit der Kontemplation. 
Und übrigens: sollte einem jemanden den Zeitraum von 45 Minuten ankündigen: freundlich lächelnd bedanken, nicht eine Sekunde weiter drüber nachdenken und besonnen aber bestimmt den Rückzug antreten. Zumindest, wenn man das Restaurant tatsächlich wegen eines zu stillenden Hungergefühls aufgesucht hatte. Normalerweise wäre dann einkaufen gehen, heimfahren und kochen die schneller zum Ziel führende Alternative, ganz unabhängig davon, wie weit der Heimweg und wie aufwändig das Gericht sind.

- 6 weeks: Alles, was man nicht in zehn Minuten erledigen kann, dauert sechs Wochen. 
Wenn man ein Auto zulassen möchte, braucht man eine traffic register number. Die Bearbeitung dauert sechs Wochen. 
Ein Visum beantragen? Egal welches, es dauert sechs Wochen. 
Ein Jahrespass für South Africa National Parks? Sechs Wochen.
Wahrscheinlich dauert das eigentlich alles immer gleich lang, weil man immer überall die gleichen Dokumente einreicht, die dann zu überprüfen sind. Pass. Resident Visa. Ach, Ihr habt kein Resident Visa? Ach, Ihr wollt Euer Touristenvisum verlängern? Ach, das geht schon auch... irgendwie. Biometrische Passbilder. Adressnachweis - den wir gar nicht haben dürften, weil uns eigentlich mit unserem nicht vorhandenen Resident Visa niemand ein Haus für ein Jahr vermieten dürfte. Kontoauszüge, Rückflugtickets, Fingerabdrücke, ein freundliches Lächeln und das feste Vertrauen daran, dass die Dinge ihrer rechten Wege gehen werden.
Wichtig im Zusammenhang mit den sechs Wochen ist jedoch der so harmlos klingende Begriff backlog. 
Es heißt also gerne: It takes six weeks. - Pause - But there's a backlog since September... last year.... 2019.... ich habe das Gefühl, es gibt kein Datum in der Vergangenheit, das zu weit zurück liegt, als dass es nicht irgendeinen dazu passenden Backlog gäbe. Das ist ganz witzig, denn aus sechs Wochen werden so auch gerne sechs Monate, sechs Jahre, ein halbes Leben. 
Manche Dinge erledigen sich von selbst, denn den Jahrespass 2023 für die Nationalparks wird man vermutlich in 2029 nicht mehr benötigen. Je nach Betrachtungsweise ist das sehr praktisch oder eher ziemlich unpraktisch.
Aber für den Rest, der sich nicht unbedingt durch Ablauf von Zeit erledigt, finden die Leute Lösungen, die so vom Gesetzgeber ursprünglich möglicherweise nicht vorgesehen waren. Unser Autohändler zum Beispiel. Dem war klar, dass wir ihm ein Auto nur dann abkaufen werden, wenn wir es anschließend auch anmelden und fahren können. Eine traffic register number ist nicht in Aussicht, wenn der Händler auch meinte, sie würden da Wege kennen. Und so bleibt das Auto temporär auf ihn zugelassen. Das ist drei Wochen erlaubt. Und nach drei Wochen bekommen wir neue Nummernschildern von ihm. Und wir wollen hoffen, dass wir irgendwann, bevor wir die Stadt für länger als drei Wochen verlassen möchten, eine traffic register number unser Eigen nennen unsere eigenen Nummernschilder montieren können.


Gestern haben wir die Verlängerung unserer Touristenvisa beantragt. Dies muss man spätestens 30 Tage nach Einreise tun oder anders gesagt 60 Tage vor Ablauf des aktuellen Visums. Bearbeitungszeitraum: genau, sechs Wochen. 
Nun gibt es an der Sache einen Knackpunkt: die sechs Wochen sind ein dehnbarer Begriff. Stichwort backlog!!! Solange der Antrag läuft, darf man jedoch eigentlich das Land nicht verlassen. Wird der Antrag vor oder nach Ablauf des aktuellen Visums positiv beurteilt, ist alles gut. Wird er jedoch abgelehnt und das erst NACH Ablauf des ersten Visums, dann hat man ein Problem. Dann nämlich ist man plötzlich illegal im Land, und bekommt bei Ausreise einen Einreisebann. Dieser läuft je nach Schwere des Vergehens zwölf Monate bis fünf Jahre.
Die Verlängerung sehr viel früher als nach Ablauf der ersten 30 Tage zu beantragen, was einem spontan als Lösung des Problems einfällt, ist auch ein bisschen tricky, weil es leider vorkommt, dass die Sachbearbeiter die 90 Tage des neuen Visums an den Tag der Bearbeitung und nicht an den Tag des Ablaufs des alten Visums dranhängen. Und sollte das passieren, möchte man natürlich, dass es möglichst spät passiert. 
Alles in Allem scheint das aber ein reines Glücksspiel zu sein und ich vertraue darauf, dass Sandi, der im Glücksspiel IMMER gewinnt (weshalb ich nur Strategiespiele gegen ihn spiele) auch hier den richtigen Wurf tut und wir nach entspannten vier Wochen unsere Visa mit frischen 90 Tagen bis Ende Juni in den Händen halten werden. Denn tatsächlich gibt es auch solche Geschichten.
Sollte dem nicht so sein, werden wir uns einmal mehr im Heimatland sehen, denn nur eine Einreise aus dem Heimatland garantiert die frischen 90 Tage - no questions asked, wie man so schön sagt. 

- Zeiträume, die in Monaten angegeben werden:
Das kann einen treffen bei z.B. komplizierteren Anträgen auf critical skills visa oder dem Antrag auf permanent residency. Ich weiß nicht, wie die Leute das machen. Vermutlich hilft dann nur noch, um göttlichen Beistand zu bitten, hoffen dass das in einen göttlichen Zuständigkeitsbereich fällt und seeeehr geduldig zu sein. Und damit meine ich geduldiger als beim Sezieren einer Avocado zuschauen-geduldig. Zum Glück wollen wir es gerade nicht ausprobieren und müssen uns in dieser Disziplin nicht üben.

Aber nochmal zurück zum Auto:
Nachdem wir uns einige angeschaut hatten und hin und her und her und hin und nochmal hin und her überlegt hatten, ob es ein großes oder ein kleines Auto sein soll, eine altes oder ein sehr altes, wir Benzinverbrauch, Wiederverkaufswert, Wertverlust, Kofferraumgröße, Gammligkeitsfaktor und Ausstattung mit in die Gleichung einbezogen hatten und es bei manchen Autos an banalen Dingen wie der fehlenden Kofferraumabdeckung gescheitert ist (Kofferraumabdeckung = großer seelischer Frieden, weil man mal einen Pullover im Kofferraum liegenlassen kann, ohne Angst zu haben, dass das Auto aufgebrochen wird), haben wir uns für den Mittelweg entschieden. Alt aber nicht uralt. Wenig gammlig, wenn sehr gammlig auch immens zum Seelenfrieden beitragen würde. Mittlerer Bezinverbrauch und groß, aber nicht megagroß. Einziger Haken könnte der Wiederverkaufswert sein. Aber auch das ist jetzt ein wenig Glücksspiel. Es ist ein Jeep Patriot und Jeeps sind nicht sehr beliebt, da Reparaturkosten oft sehr hoch sind. Was allerdings nicht heißen soll, dass Reparaturkosten oft anfallen. Eigentlich scheint der Patriot ganz zuverläassig zu sein. Darauf zählen wir. Und Sandi, der alte Feilscher, hat den Preis ein gutes Stück runterverhandelt, so dass wir da am Ende ein bisschen Luft haben werden beim Verkauf.
Auf alle Fälle ist es ein 'Wir haben die Freiheit, bei Wochenendausflügen einfach reinzuschmeißen auf was wir Bock haben'-Auto MIT Kofferraumabdeckung UND Allrad, so dass es auch ein 'wir können hinfahren wo wir Bock haben'-Auto ist. Und ich kann Euch sagen, wir wissen wie großartig das ist, denn wir haben Erfahrung, wie es ist, mit einem kleinen Schrottkarrn ohne Klimaanlage und mit kaputten Stoßdämpfern durch die endlose Kalahari und über das noch endlosere Waschbrett zu rappeln, während die großen SUVs scheinbar lautlos einfach an einem vorbeifliegen und man jedes Mal panisch die Fenster hochkurbelt und doch nicht schnell genug war und man wieder den ganzen Dreck der aufgewirbelten Staubfahne ins Gesicht geblasen bekommt. 
Insofern sind wir sehr zufrieden mit unserer Entscheidung und freuen uns schon, wenn wir ihn abholen dürfen. Das wird dann sein, wenn die Überweisung bei Händler eingegangen ist. Momentan schwirrt das Geld irgendwo durch den Äther und ich frage mich, wo es gerade ist, wenn es weder auf unserem noch auf dem Konto des Händlers ist. Aber die Banken werden das schon wissen. 
Vielleicht dauert das ja auch sechs Wochen.

Das nächste Mal schreibe ich übrigens wieder von was Schönem. Vielleicht dann schon aus unserem neuen Haus. Am Dienstag ziehen wir um. Und freuen uns darauf.

Kommentare

  1. Liebe Antonia, in dem Sinne mache ich mich an die Arbeit... denn auch bei mir dauert alles gerade 6 Wochen... Für morgen erstmal einen erfolgreichen Umzug und Start im neuen Haus!! LG Billy

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