Routinen

Langsam kehrt etwas Ruhe ein und wir entwickeln sowas wie zaghafte Routinen. 

Es ist faszinierend, was alles auf der Strecke bleiben kann, wenn man mit Organisieren und Eingewöhnen und sich Zurechtfinden beschäftigt ist. Wir haben es noch nicht ein Mal geschafft, die Jungs mit Brotzeit und Trinkflasche in die Schule zu schicken, weil entweder haben wir kein Brot oder keinen Belag oder beides nicht oder es ist Loadshedding und wir haben keinen Strom, um Toast zu toasten. Und es ist am Wochenende genauso beim Vorsatz geblieben, Brotzeitdosen zu erstehen, wie eine Flaschenbürste und Brotbelag. Dafür haben die Jungs es aber geschafft, ihre ID-Cards für die Schule ausstellen zu lassen und mit vereinten Kräften haben wir es sogar bewerkstelligt, diese mit jeweils 1000 Rand aufzuladen, so dass die Jungs sich in der Cafeteria belegte Brote und ein Mittagessen kaufen können. Ein Problem vorübergehend gelöst. Und vielleicht setzte ich Brotbelag, Brotzeitdosen und eine Flaschenbürste jetzt gleich sofort auf die nächste Einkaufsliste.

Aber ansonsten fahren die Männer nun jeden Morgen in die Stadt, winken unterwegs den Robben zu (ich meine, wer kann schon auf dem Schulweg zu den Robben rüberwinken???), Sandi schmeißt die Jungs an der Schule raus, geht in sein shared office, arbeitet und holt die Jungs wieder ab. Noch besser wird es werden, wenn wir dann ab Februar in unserem richtigen Haus wohnen, denn von dort gehen die Jungs zu Fuß zur Schule und Sandi zu Fuß in sein Büro. Das wird eine große Erleichterung sein, denn die Jungs starten oft morgens nicht zusammen und haben auch selten zusammen aus, so dass immer einer auf den anderen warten muss. Der arme Philipp musste heute zur ersten Stunde antreten, obwohl er eigentlich erst zur dritten hatte. Und das am Montag Morgen. Autschi.
Aber ich bin mir sicher, er hat die Zeit gut genutzt, in der seine Mitschüler Afrikaans hatten, und in der Bibliothek fleißig Latein und Griechisch studiert. 
Das ist der Deal mit der Schule: die Jungs haben hier keine neuen Fremdsprachen und machen ihre alten Sprachen in der Zeit im Selbststudium. 
Raphaels Enthusiasmus was das Thema angeht ist so herzerfrischend. Hat er uns doch am Wochenende vorgerechnet, dass er nach Rückkehr noch zwei Lateinschulaufgaben schreiben wird, bevor er Latein gegen eine spätbeginnende Fremdsprache austauschen kann... wird. Und dass ihm für die Vier am Jahresende und somit das Latinum zwei Fünfer in den Schulaufgaben und eine mündlichen 3,irgendwas völlig genügen werden. Was für ein wirklich ambitioniertes Ziel für jemanden, der in Latein bisher immer eine Eins hatte.

An den Routinen arbeiten wir also und vielleicht schaffen wir es auch bald, dass wir nicht bei jeder Mahlzeit ratlos dastehen, was wir eigentlich essen werden, weil wir für ein geplantes Essen mal wieder die Hauptzutat vergessen haben. Oder weil mal wieder Loadshedding ist und wir ein Backofengericht geplant hatten, ohne Strom aber der Backofen nur sehr eingeschränkt funktioniert. Wir sind sehr dankbar, dass man so günstig essen gehen kann. Im Gegensatz zum Supermarkt, der oft erstaunlich teuer ist.

Ab morgen geht Philipp einmal oder zweimal die Woche zum Beachvolleyballtraining an den Strand und auch Raphaels Handballtraining in der Schule fängt diese Woche an. Ganz dringend steht für diese Woche außerdem auf der To Do Liste, dass wir eine Gitarre besorgen für Philipps Gitarrenunterricht und ab Februar und im neuen Haus wird es auch endlich wieder Klaviermusik und einen Klavierlehrer geben. 

Klaviermusik? Haus? Jepp, als kleines Update, es wurde das Haus, dem das Klavier fehlt. Das mit dem Pool. Dem Haus fehlt es eigentlich an ziemlich wenig (außer dem sagenhaften Blick und dem Klavier natürlich) und wir freuen uns schon darauf, dort einzuziehen. V.a., dass man von dort auch wieder was zu Fuß wird machen können. Hier sind wir zwar sehr romantisch und sehr ruhig mitten in der Natur, dafür ist es viel zu weit in den Ort und es ist für die Hitze viel zu bergig und für sicher würden wir den Weg ebenfalls nicht überall halten. 

Aber wir haben auch nicht nur Routinen gesucht. Wir haben auch was unternommen. 
Das Wochenende war unglaublich windig. Am Sonntag bin ich in der Früh um fünf aufgewacht, weil ich dachte 'jetzt fliegen wir samt Haus davon.' Erstaunlicherweise hat das Haus gehalten. Die Winde sind teilweise geradezu erbarmungslos und hier oben scheinen wir in einer besonders vorteilhaften Schneise zu wohnen. Umso erstaunlicher, wenn es dann am nächsten Tag und so wie heute völlig windstill ist. Und am aller erstaunlichsten ist, dass es bei all dem Wind doch Orte gibt, an denen man es aushalten und sogar Beachvolleyball spielen kann.

So am Samstag. Hier oben tobte sich der Wind an unserem Garten aus, während in Clifton, einem der Stadtstrände völlige Windstille herrschte. Clifton ist eine wunderschöne Bucht mit weißem Sand, in der 4 Bereiche durch die Felsen abgetrennt sind. Diesen Stränden hat man die poetischen Namen Clifton 1, Clifton 2, Clifton 3 und Clifton 4 gegeben. Naja, immerhin weiß man, wo man ist. Clifton 4 also am Samstag der Beachvolleyball-Hotspot. Es war Samstag ein so unglaublich klarer Tag, der UV-Index vermutlich bei 23, dazu die Windstille. Sandi und Philipp haben zwei bzw. drei Sätze gespielt und dann nütze auch kein Bad im 15 Grad kühlen Wasser mehr, um sie wiederzubeleben. Philipp hing für den Rest des Tags halb tot auf dem Sofa und selbst mit Essen konnte mal ihn nur so halb locken. Ich kann mich auch nicht erinnern, wann zuletzt Philipp als erster von uns vieren ins Bett gegangen ist...


Am Sonntag, dachen wir, wagen wir uns mal ein bisschen weiter weg und sind trotz noch immer anhaltender heftiger Winde in Richtung Kap gefahren. Ich habe dazugelernt, dass man bei Wind am Kap kein flatterndes Sommerkleidchen anzieht, wenn man nicht den ganzen Tag mit einem umgebundenen Badetuch herumrennen möchte, weil der Wind einem das Kleid sonst über die Ohren weht. Mein Jeansrock und ich haben uns sehr wohlgefühlt und etwas amüsiert den Frauen zugeschaut, die offensichtlich das erste Mal mit einem Flatterkleidchen bei Wind am Kap waren.

Ganz am Kap waren wir allerdigns nicht, warum auch schon wieder? Nein, wir haben eine Straußenfarm besucht und wenn die Führung auch nur so halb spektakulär war, waren die ganzen Straußenbabies, sortiert nach Alter, doch schon ziemlich süß. Ein bisschen leid taten sie mir, dass sie von einem Inkubator ausgebrütet werden und nie ihre Eltern sehen. Die Eltern stehen draußen auf der Weide, die Küken in Gehegen. Je nach Wetter draußen unter freiem Himmel oder ein einer großen Halle. 
Den Straußenburger im zur Farm gehörigen Restaurant haben sich die Jungs natürlich nicht entgehen lassen können.
Der Rückweg brachte uns zu den Stränden von Scarborough, Kommetjie und Nordhoek. 
Nach Scarborough komme ich gerne noch einmal zurück, das war bestimmt einer der schönsten Strände, die ich jemals gesehen habe. Es war gerade Ebbe und es waren die Felsen freigelegt mit ihren Rock Pools. Der Sand war blütenweiß, das Wasser türkisblau und dazu das Gelb der Flechten auf den Felsen, das Grün der Algen und das Schwarz der Muschelrasen. Der Wind war gnadenlos und blies einem den Sand in die Auge und wenn einen wieder eine Böe traf, fühlte man sich wie in einem Sandstrahler. Die Wellen waren wild und wütend und dennoch wagten sich ein paar unerschrockene Surfer in die Wellen. Ein Erlebnis, das man mögen muss...

Ein bisschen weiter auf unserer Route kamen wir an einen breiten Strand, an dem Kite- und Windsurfer die unglaublichsten Kunststücke vollführten. Die Wellen auch hier nur als unberechenbar zu bezeichnen, der Wind gnadenlos. Und mittendrin diese tollkühnen Männer und Frauen mit ihren Drachen, die offenbar nicht nur großen Spaß hatten, sondern auch noch wussten, was sie da machen. Ihre Sprünge waren 15 bis 20 Meter hoch, sie flogen nur so durch die Luft, landeten 50, 75m weiter wieder und ich musste mir jedes Mal die Hände vor die Augen halten, weil ich ihnen nicht zusehen könnte. 
In Kommetjie mussten wir einen kleinen Stopp einlegen, damit Raphael auch ein paar Wellen mitnehmen konnte. Aber auch in der eigentlich geschützten Bucht waren der Wind und die Wellen wütend gestimmt und ich bewundere Raphael für seine Geduld, sich gegen diese nicht an den Strand rollenden, sondern krachenden Wellen rauszukämpfen, um sich dann mit dem Bodyboard wieder an den Strand zurückklatschen zu lassen. Und das bei 16° Wassertemperatur. Auch das etwas, das man wollen muss....
In Nordhoek hatten wir dann genug vom Wind und Sand zwischen den Zähnen, den Strand haben wir uns aus sicherer Entfernung von der Terrasse eines Restaurants angesehen, wo wir uns ein möglichst windstilles Plätzchen gesucht und einem wunderschönen Tag mit den Blick auf den Sonnenuntergang Adieu gesagt haben.



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