Staunen und Staunen und Staunen

Wir haben uns heute mit einer mal wieder erstaunlich angenehmen Busfahrt die 296km von Phnom Penh nach Siem Reap hinter uns gebracht. Erstaunlich wirklich, da wir als Touristen in Vietnamesischen Bussen grundsätzlich Plätze möglichst weit hinten im Bus bekommen hatten, dort nämlich, wo keiner sitzen will, weil die Klimaanlage da hinten kaum mehr ein laues Lüftlein aushaucht, geschweige denn vernünftig kühle Luft. In einem Kambodschanischen Bus werden die Sitzplätze offensichtlich nach Zeitpunkt der Buchung vergeben und nicht nach Nationalität, so dass man auch als Europäer einen passabel klimatisierten Platz erhält. Pillepalle, die sollen sich nicht so haben, werdet Ihr denken, aber bei all diesen Fahrten und Stunden, die wir bei diesen Temperaturen in Bussen verbringen, macht es einen Unterschied, ob man eine ordentliche Klimaanlage hat oder nicht.
Siem Reap, wo wir uns jetzt befinden, ist das Sprungbrett nach Angkor Wat, Weltkulturerbe, größter Sakralbau der Welt, Mutter aller Tempel, wie es gerne heißt, überhäuft mit Superlativen und ab morgen werden wir versuchen zu ergründen was dran ist an all diesen Superlativen.

Aber erst nochmal zurück nach Phnom Penh!
Ich komme immer noch kaum darüber hinweg, wie ich mich in meiner Einschätzung Phnom Penhs geirrt hatte. Diese Aufbruchstimmung, das Streben nach Neuem, nach Besserem, nach Schönem!
Ein ähliches Gefühl hatten wir vor zwei Jahren auf unserer Ostseereise, als wir aus dem irgendwie verstaubt und stur wirkenden Polen nach Litauen kamen, alles viel freundlicher, moderner, innovativer, pfiffiger. Und so kommt es uns vor, wenn wir aus Vietnam nach Kambodscha kommen. Das Streben nach dem Aufschwung wirkt nicht so verbissen, irgendwie flexibler, nicht so zwanghaft sondern spielerischer. In wie vielen Situationen sind wir in Vietnam schier verzweifelt, weil man uns eine Dienstleistung partout nicht für einen angemessenen Preis anbieten wollte. Ein Tourist hat einen überhöhten Preis zu zahlen, welcher irgendwo zwischen dem doppelten und dem zehnfachen des eigentlichen Preises liegen kann. Ist man als Tourist nicht gewillt, für eine Busfahrt (auf dem miesesten Platz im Bus) den zehnfachen Preis zu zahlen, den ein Einheimischer für einen guten Platz bezahlt, dann wird man nicht mitgenommen und man fragt sich, wieso dieses Prinzip des Tourinepps so heilig ist, dass man lieber gar nichts verdient als den regulären Fahrpreis. Hier in Siem Reap wurden wir von Angeboten fast erschlagen, da sich alle Hotelbesitzer denken, dass sie in der Nebensaison, wenn ihr Haus leer steht, lieber 15 Dollar pro Nacht verdienen als das Zimmer leer stehen zu haben... in Vietnam eine undenkbare Erscheinung.
Auch die Tatsache, dass hier jeder sehr gut Englisch spricht, fasziniert uns. Bisher konnten wir uns mit den meisten Leuten nur über die Preise ihrer Waren oder Dienstleistungen unterhalten, eventuell noch darüber, wie alt unsere Jungs sind und dass sie keine Zwillinge sind (was jedes mal Erstaunen auslöst. No Twins? Look same, same!). In Phnom Penh auf dem Spielplatz haben wir richtig nette Konversationen mit anderen Eltern geführt über Gott und die Welt, bzw. über Angkor Wat und Kambodscha, was ja irgendwie das gleich ist. Die Leute scheinen alle so stolz zu sein auf ihre Stadt, die gerade an allen Ecken und Ende renoviert, neu gebaut und frisch gestrichen wird, auf ihr Angkor Wat und darauf, dass alle Welt kommt, ihr Weltwunder zu bestaunen.

Gestern also ein Ausflug in den Psar O'Russai, den Russenmarkt. Heiß ist es dort, stickig und dunkel, so wie man sich einen südostasiatischen Markt vorstellt eben. Aber auch sehr geordnet, alles schön säuberlich nach Art der verkauften Waren. Ein richtig schöner Markt, der alles anbietet, was man so braucht oder nicht. Sämtliche Teile, die man benötigt, ein Moped zusammenzubauen, Stoffe, Souvenirs, Drogerieartikel, Kleidung, Lebensmittel, Eisenwaren, Schmuck und Edelsteine, Essensstände, Hüte und Schuhe. Gekauft haben wir nichts, weil es auch hier wieder das übliche T-Shirtproblem gab. Entweder sie gefallen mir nicht oder sie sind zu klein oder ich habe in der stickigen Hitze keinen Nerv, die Stapel zu durchwühlen. Obwohl es eigentlich ein Eldorado ist zum Klamottenkaufen. Fälschungen und Originale, alles im Umlauf und alles spottbillig.
Sandi war gestern ohne uns auch noch im Tuol Sleng Museum, dem Ort, an dem die Roten Khmer tausende von Menschen gefangen gehalten und gefoltert hatten, bevor sie sie auf den nahe gelegenen Killing Fields, wie sie heute genannt werden, erschlagen haben. Heute ist dieser schreckliche Ort ein Museum und eine Gedenkstätte, worüber uns aber Sandi mehr berichten müsste, da ich ja nicht dabei war.

Unsere Busfahrt heute war wunderschön. Als wir es aus den schier unendlichen Vortorten Phnom Penhs heraus geschafft hatten - ich hatte gar nicht mehr gedacht, dass wir irgendwann offene Landschaften sehen würden, in Vietnam gingen die Ortschaften oft in einander über, so dass man auf weiten Strecken nie einen Blick in die Landschaft erhaschen konnte - fuhren wir duch weite Ebenen mit Reisfeldern, dazwischen ganz frech hinausragende, einzeln stehende Kokosnusspalmen, die wunderschönen, unter Wasser stehenden Lotusplantagen mit ihren großen, samtigen, dunkelgrünen Blättern und den rosa Blüten, immer wieder ein kleiner Ort mit Holzhäuschen auf Stelzen. Oft waren die Häuschen bunt bemalt und so arm die Orte manchmal auch waren, in den Vorgärten standen Blumenkübel, die Fensterläden waren bunt gestrichen und reich verzierte Treppengeländer wanden sich die Stelzenhäuschen hinauf. Viele Szenen erinnerten uns an Laos. Die in Laos ja auch überall vorhandenen, prachtvollen Wats, die Mönche mit ihren orangenen Gewändern, die das Straßenbild prägen, die kleinen Ahnenhäuschen in den Gärten, die Wasserbüffel, die neben der Straße in einem Wasserloch wiederkäuend der Dinge harren, die da kommen oder nicht, die Stelzenhäuser, der vor dem Haus zum Trocknen ausgebreitete Reis und die lachenden Kinder in ihren Schuluniformen. Und dann immer wieder Wasser. Großes Wasser und kleines Wasser, fließendes Wasser und stehendes Wasser. Aber immer wieder Wasser. Wobei man sehr genau sieht, wie viel Wasser an vielen Stellen am Ende der Regenzeit stehen muss, wenn die Kühe die letzten Reste des vertrockneten Grases irgendwo zwischen auf dem Trockenen liegenden Ruderbooten abnagen und man sich fragt, was an dem Bild falsch ist, die Kuh oder das Boot.

So, und nun aber auf ins Bett, morgen wartet schließlich nicht irgendwer auf uns, sondern das große Angkor Wat!

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