Flussreisen

Während meine drei Männer unter dem Moskitonetz liegen und zumindest zwei ersthaft versuchen einzuschlafen, während der kleinste Holzloks durchs Bett schiebt, sitze ich auf einem blauen Plastikstuhl und frage mich, warum es in Südostasien eigentlich nur unbequeme Sitzgelegenheiten gibt und freue mich auf unser wunderbares Sofa zu Hause. Und auf unseren Poäng. Und auf unsere Terrassenstühle. Und sogar auf unsere ungepolsterten Küchenstühle. Ich weiß nicht, wieso es hier keine bequemeren Sitzgelegenheiten gibt als rote Plastikhocker, für die Philipp schon fast zu groß ist, Betonbänke ohne Lehne im Holzstyle, gerne auch in holztypischem Grün oder Blau, geflieste Bänke mit superscharfen Kanten und extra Spitzen Ecken, bei denen man höllisch aufpassen muss, weil man sich entweder mein Hinsetzen oder beim Aufstehen seine Wade oder Schienbein (oder noch gemeiner für kindergroße Menschen seine Brust) aufschneidet oder aufs Gemeinste anstößt, selbst gezimmerte Holzbänke, bei denen einem die viel zu steile oder viel zu flache, jedoch immer zu kurze Lehne fies zwischen die Brustwirbel drückt oder wie heute auf unserer planmäßig (und ich betone PLANMÄSSIG) sieben Stunden dauernden Bootsfahrt kleine Holzstühlchen mit zu kurzen Beinen, zu steilen Lehnen und zu schmalen Sitzflächen, die wahrscheinlich vor Jahrzehnten aus einer Schule entwendet wurden und deren Beine dann nochmal ein gutes Stück gekürzt wurden.
Fahrt von Luang Prabang nach Nong Khiaw:
Happy Ers! Noch!
Unsere Bootsfahrt also ein Traum. Einerseits wirklich, denn die Landschaft war wunderschön und das Leben, das sich am Fluss abspielt mal wieder hochinteressant, wobei wir bei vielen Tätigkeiten, denen die
Menschen nachgehen keine Ahnung haben, was da eigentlich vor sich geht. Andererseits lief die Fahrt natürlich nicht so ab wie geplant (wäre ja auch langweilig gewesen) und man übt sich in Geduld, immer das Mantra murmelnd 'Wir sind in Laos, hier ist alles etwas langsamer... Wir sind in Laos, hier ist alles etwas langsamer.... Wir sind in......' So sehr man das Land und die Leute für ihre ruhige, unstressige Art liebt, so
sehr kann es einen in den Wahnsinn treiben, wenn man eine siebenstündige Bootsfahrt auf einem Miniboot vor sich hat, auf dem man nicht aufstehen und rumgehen kann, man nachdem man ins Boot gesetzt wurde, erstmal eine halbe Stunde vom Fahrer nichts mehr sieht, man nur vermuten kann, dass er gerade beim Frühstück sitzt, das ihm im Lao-Style-Tempo zubereitet wird, man dann endlich losfährt, allerdings nur ein kurzes Stück zu einem Stopp dessen Hintergrund einem zunächst nicht klar ist (über HIntergründe von Stopps, Pausen, Reparaturen, Umwegen und Wartezeiten wird man im allgemeinen eher nicht sehr ausführlich aufgeklärt, ist ja auch egal, wir sind hier in Laos, hier ist alles etwas langsamer... Wir sind hier in Laos.....), einem dann klar wird, sobald ein anderes großes Schiff langsam beiseite geschoben wird: wir müssen tanken! Aber: Kein Sprit da... kommt in einer Stunde... Alarmglocken!!!, eine Stunde???? In Laos???? Doch besser noch zum Bus rennen? Oder gleich in den Mekong springen und schwimmen? Nein, Mantra murmeln, Mantra murmeln, Mantra murmeln..... Also warten auf einer auf dem Mekong schwimmenden Tankstelle, ist ja auch mal interessant, bekommt man auch nicht jeden Tag zu sehen. Eine Mitreisende fällt beim Versuch an Land zu gehen tatsächlich ins Wasser. Aber ihr Sandwich ist noch genießbar, nur ein großer blauer Fleck am Bein. Von vorne herein zum scheitern verurteilte Versuche, ein Gespräch mit dem Fahrer zu führen und zu erkunden, warum wir nicht zu einer anderen Tankstelle fahren.... No English, No English, sonderbar, zuvor war es so schlecht gar nicht gewesen, naja, danke fürs Gespräch. Also weiter warten und hoffen. Ans Ufer führende Schläuche werden angeschlossen. Hoffnung keimt auf. Aber nur kurz, es tut sich weiterhin nichts. Wir rechnen nach: mit dem Minibus hätte wir schon ein Viertel der Strecke. Dann ein anderes Boot. Und dann das Wunder: Unsere Taschen werden umgeladen, die an Land gegangenen Mitreisenden schnell herbeigerufen und tatsächlich, es geht mit einem anderen Boot los. Und

Unser kleiner Dodo: gute Seefahrerlaune!
 wohin? Na? Wohin wohl? An die nächste Tankstelle!!! Dort dann sichtbar Treibstoff in den Zapfanlagen.... langsame Zapfanlagen aber immerhin funktionierende, zapfende, was will man mehr. Abfahrt also mit fast zwei Stunden Verspätung, grandios, wenn man weitere sieben Stunden vor sich hat und man mit zwei kleinen Kindern gerade zwei Stunden Sitzfleisch und Geduld verplempert hat. Dann aber mit Vollgas den Mekong hinauf, nach einer Stunde etwa abgebogen in den Nam Ou und nach schlappen weiteren sechs Stunden in Nong Kiaw angekommen. In Nong Kiaw gibt es eine architektonisch nicht besonders reizvolle und etwas überdimensioniert wirkende Brücke. Für uns die schönste Brücke aller Zeiten, denn wir wussten: bei der Brücke sind wir da und zwischenzeitlich hatten wir wirklich sowas wie den Glauben daran verloren, jemals dort anzukommen.
Die Fahrt jedoch war wirklich schön. Zunächst der breite, braune Mekong mit seinen vielen kleinen und richtig großen Booten und in der Trockenzeit frei liegenden Felseninseln und Sandbänken, die aussehen wie
Fahrt Luang Prabang - Nong Khiaw:
Goldschürfer im Nam Ou?
feinsandige Traumstrände. Plötzlich dann bei der Mündung des Nam Ou in den Mekong ein glasklares, grünes Wasser und innerhalb von wenigen Metern ändern sich das Gefühl von bloß nicht angespritzt werden mit der Brühe in ein Ich will baden! Jetzt sofort! Der Nam Ou fließt viel lebendiger und durch ein viel schmaleres Bett und führt ein herrliches, dunkelgrünes Wasser. Auch hier in der Trockenzeit all die Felseninseln und Sandbänke, blühende Blumen auf kleinen, kargen, aus dem Wasser ragenden Felsen, kleine Stromschnellen und flache Abschnitte, in denen das Boot mehr übers Wasser fliegen musste als fahren zu können (einmal ist es nicht genug geflogen, da musste angeschoben werden), badende und sich sonnende Wasserbüffel mit ihren Kälbern, in den Fluss stürzende Felswände, im Hintergrund die zuckerhutartigen Berge und am Ufer dieser wunderschöne, üppige, haushohe Bambus, der dem Ganzen den letzten, kleinen, feinen Asienschliff gibt. Und dann das Leben der Menschen am Fluss: kleine, aus Fahrradfelgen gebaute Wasserräder, die als Generatoren dienen, Menschen auf Bambusgerüsten mitten im Fluss, die das vom Wasser mitgeführte Geröll sieben und in großen kupferfarbenen Schalen schwenken um etwas zu sammeln, was das war, ist uns nicht ganz klar. Es sah aus als würden sie nach Gold schürfen, ich fand es jedoch nicht sehr logisch, Gold mit kupferfarbenen Schalen zu suchen. Und dann natürlich die Kinder, die am Ufer stehen und baden und winken, winken, winken und winken. Männer und große Jungen, die mit Taucherbrillen und Harpunen oder Netzen ausgestattet in der größten Strömung Fische fangen, Frauen, die Algen sammeln, Männer in kleinen Booten, die ihre Netze auswerfen und einholen, Familien, die sich am Fluss waschen, Kähne, schwer beladen mit der unterschiedlichsten Fracht. Langweilig wird es einem als Betrachter nicht und man kann den Menschen, die Ihr Leben im und am Fluss verbringen und so hart arbeiten wie die Männer und Frauen, die schürfen oder tagelang kopfüber Algen sammeln wirklich nur seinen
Respekt zollen. Den größten Respekt bekommen für heute aber unsere lieben Kinder, die so tapfer und brav waren und sich das nächste, ganz große Eis verdient haben! Wir haben immer noch ein bisschen das Gefühl, als schwanke der Boden unter uns. Ich hoffe, er tut es nicht wirklich, hier in unserem auf Stelzen gebauten, kleinen Bungalow, in dem die Männer jetzt alle drei gut schlafen und denen ich es jetzt gleich tun werde. Man hört unten am Fluss kleine Motorboote vorbeifahren und der Sound wird mich sanft in die Träume begleiten, nach einem ganzen Tag Beschallung durch einen Außenboarder muss der Entzug langsam gehen.

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