Einmal nach Nanning bitte...

Hier sind wir wieder und melden uns aus Nanning.

Gestern hatten wir einen unspektakulären Tag im Zug, wobei unspektakulär ist hier nichtmal eine 5 stündige Zugfahrt. Ich könnte den ganzen Tag zusehen, was die Leute so machen und da sich keiner geniert, uns mit durchdringenden Blicken und fast schon peinlicher Beharrlichkeit anzustarren, starren wir eben auch. Erstmal war unser Zug brechend voll. Wir hatten uns auf eine gemütliche Fahrt eingestellt, sind guter Dinge mit unseren zwei Karten in den Zug eingestiegen, denn Kinder brauchen hier erst ab 1,20m eine Karte und da sind unsere ja beide noch gut drunter. Aber: Keine Karte, kein Platz! Aber ich-organisier-dann-mal-was-Sandi hat uns noch zwei Plätze beschafft, so dass wir nicht fünf Stunden zu viert auf zwei Plätzen sitzen mussten.

Der Zug also voll. Die Leute haben sich auf ihre Plätze gesetzt, einen ich-bin-ja-sooooo-gelanweilt-Blick aufgesetzt (und den auch für die nächsten 5 Stunden nicht abgesetzt) und ich habe mich gefragt, warum nicht einer ein Buch oder eine Zeitung dabei hatte, um nicht ganz so gelangweilt sein zu müssen. Während der Fahrt sind unzählige Zugbegleiterinnen, diesmal weniger adrett, wenn auch ganz förmlich in gebügelter Uniform, mit riesigen Plastiktüten voll mit Cup Noodles in der Geschmacksrichtung Spicy Beef Noodles und Wasserflaschen herumgegangen und jeder, wirklich JEDER, der nicht ohnehin schon einen Becher Nudeln dabei hatte, hat sich dann so einen Becher Suppe gekauft und an den Heißwasserstationen aufgegossen. Der Zug war ein einziger rollender Riesentopf von Spicy Beef Noodles. Als dann die Nudeln alle verdrückt waren, hat man sich zum Schlafen hingelegt und bis Nanning geschlafen... oder wenn man nicht schlafen konnte, weiterhin gelangweilt geschaut. Wir waren die totalen Außenseiter, die sich Backwaren und Äpfel mitgenommen hatten und Memory gespielt haben, statt sich zu langweilen (ein Zustand, der sich mit unseren Kindern sowieso selten einstellt) In Nanning ist dann die übliche Aussteigpanik ausgebrochen, wir haben uns diesmal mitten reingedrängt, wofür hat man denn einen Rammbock-Buggy?

Unsere Unterkunft war schnell gefunden und dann waren wir alle wirklich reif für die Falle...


Heute haben wir die Pässe zur Vietnamesischen Botschaft gebracht, was erstaunlich gut geklappt hat. Gut, man hatte uns die falschen Öffnungszeiten und falsche Adresse im Stadtplan markiert (aber was sind das für Lappalien) aber an der markierten Stelle war ein netter Herr, der uns mit seinem Schlitten und seinen Ledersitzen zur richtigen Adresse gebracht hat. Sandi immer mit dem Stadtplan wedelnd, dass es doch ganz woanders sein müsste, aber zum Glück hat der nette Herr kein Wort verstanden und uns an die auf unserem Zettel stehende Adresse gebracht, die wir uns an der Rezeption auf Chinesisch hatten aufschreiben lassen.
Ansonsten waren wir auf einem Markt (und haben noch keine Hunde gesehen. Die, die wir bis jetzt gesehen haben, waren alle lebendig und hatten alberne Glitzeranzüglein an) und bei Walmart, um für Philipp eine neue Hose zu erstehen und für Raphael ein Paket Windeln. Wird wirklich Zeit, dass er die nicht mehr braucht, die nehmen zu viel Platz weg und sind viel zu teuer! In seiner Größe gibt es auch kaum noch welche, ich glaube, chinesische Kinder lernen früher aufs Klo zu gehen.

Heute Früh sind wir losgezogen und an der ersten Kreuzung meinte Sandi, was wir denn heute den ganzen Tag machen sollten und überhaupt, wir müssten wegen der Visa ja bis Dienstag bleiben. Im Reiseführer, der zugegebenermaßen nicht ganz aktuell ist und nur aus ein paar kopierten Seiten aus einem Lonely Planet aus der Bibliothek besteht, sind für Nanning ganze 2 Sehenswürdigkeiten beschrieben. Und das, obwohl Nanning eine sehr bemerkenswerte Stadt ist: Bei meiner Recherche zu Nanning bin ich gerade über folgenden Satz gestoßen, der mich fast aus den Latschen gehauen hat:

Total population of Nanning-capital of Guangxi Province has jumped from 2.9 million in 2001 to 6.8 million in 2007- a 134.5% increase in a period of six years. There is an abrupt increase by 2 times in the population from 3.0 million in 2002 to 6.1 million in 2003. In 2007, natural population growth rate was kept under within the range set by the government of the Autonomous Region.(Quelle: http://www.starmass.com/china_review/city_overview/nanning.htm)

Ist sowas nicht total absurd? Da ist also eine Stadt, die in 6 Jahren mal schnell um 4 Millionen Einwohner gewachsen ist und wir haben den Namen noch nie gehört! Naja, irgend so eine chinesische Kleinstadt eben! Besonders bemerkenswert allerdings finde ich, dass diese 6 Millionenstadt über ein öffentliches Verkehrssystem aus nur Bussen verfügt. Man stelle sich mal München mit nur Bussen vor. Das wäre eine Katastophe! Und München ist ja ein klitzekleiner Fliegenschiss im Vergleich zu Nanning. Hier funktioniert es aber erstaunlich gut, auch wenn wir keine Ahnung haben, welcher Bus wohin fährt. Auf unserer Rückfahrt von der Botschaft haben wir dann Schriftzeichen-Studien betrieben und sogar durch suchbildartiges Vergleichen herausgefunden, welcher Bus auch zu unserem gewünschten Ziel fährt. Und es hat sogar gestimmt!

Neben sehr vielen Bussen gibt es hier noch sehr, sehr viel mehr Roller. Elektroroller! Als wäre es nicht schon genug, dass die Dinger überall rumfahren (in oder gegen Fahrtrichtung, auf Gehwegen, Radwegen, Straßen, Zebrastreifen, überall), nein, die sind auch noch absolut geräuschlos! Das ist natürlich einerseits sehr angenehm, denn tausend Elektroroller auf einer Kreuzung sind akustisch schon angenehmer als tausend Knatterteile. Aber saugefährlich, weil man sie einfach nicht kommen hört und sie dann plötzlich am Gehweg an einem vorbeigleiten.

Verkehr ist sowieso ein Thema. Es gibt ja grundsätzlich alles, was ein Mitteleuropäer so braucht, um den Verkehr geregelt zu wissen: Straßenseiten, Ampeln mit den üblichen Lichtsignalen, Verkehrsschilder, Radwege, Zebrastreifen und Straßenmarkierungen. Dennoch bedeutet eine grüne Fußgängerampel nicht, dass Fußgänger nun gefahrenlos die Ampel überqueren können. Wir haben die Regel noch nicht ganz ergründen können, aber für Rechtsabbieger scheinen rote Ampeln nur in bestimmten Fällen zu gelten. Und diese Rechtsabbieger machen von ihrem Recht, nicht anhalten zu müssen Gebrauch! Zebrastreifen scheinen auch mehr zur Zierde zu sein, eventuell zur Auflockerung des sonst so faden grauen Asphalts. Für Fußgänger jedenfalls sind sie nur ein Indiz, dass man eventuell an der Stelle wagen könnte, daran zu denken, die Straße hier zu überqueren. Vielleicht lässt man es aber auch besser bleiben. Sehr umsichtig aber ist die Einrichtung von großen Fußgängerunterführungen, damit auch Fußgänger mal über eine große Kreuzung kommen.

Alles in Allem glaube ich allerdings, dass das nur eine milde Vorstufe ist von dem was uns in Hanoi erwartet, nutzen wir das Training!

Bis morgen, wenn wir auch den morgigen Tag überstehen!

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